Sühne für unsere Sünden?

ER ist die Sühne für unsere Sünden.  So lautet der zentrale Satz der Zweiten Lesung (1 Joh 2, 1–5a) unseres heutigen Sonntags. Der Verfasser Johannes gibt uns hierin eine Anweisung zum „Nicht-Sündigen“. Und sollte der „unwahrscheinliche“ Fall eintreten, dass wir doch sündigen, bestünde immer noch eine Möglichkeit des Ent-sündigt-Werdens: Jesus Christus.

Doch hier ist Vorsicht geboten. So einfach ist das nun einmal nicht. Zunächst: Was ist Sühne?

Sühne versucht begangene Schuld zu mindern, auszugleichen. Wer Schuld sühnen möchte, übernimmt damit die Verantwortung für die Folgen der begangenen Schuld. Sühne bedeutet Wiedergutmachung von Sünde. Sühne ist ein auf Versöhnung hin orientiertes Handeln, welches mein eigenes Tun in Richtung Versöhnung verlangt. Eine vollständige Vergebung im Himmel (und auch auf Erden - zwischenmenschlich)  kann also nur durch Versöhnung erfolgen. Wenn nun Johannes weiter anführt, dass Jesus Christus als Beistand beim Vater im Himmel Sühne für unsere Sünden sei, könnte man davon ableiten, dass Jesus der Handelnde ist, damit wir von unseren Sünden befreit werden. Das erscheint zunächst logisch. Doch kann dies nicht ohne unsere Vorleistung erfolgen. Diese, unsere Vorleistung zur Entsühnung unserer Sünden durch Jesus Christus ist nur dann möglich, wenn wir seine Gebote halten. Was ist nun mit diesen Geboten gemeint? Diese Gebote sind das dreifache Liebesgebot: Gottesliebe – Nächstenliebe – Selbstliebe (Lk 10,27). Erst wenn wir unser Leben darauf ausgerichtet haben, erst wenn es uns möglich ist, in diesem Liebesgebot zu leben, welches die 10 Gebote einschließt, erst im Halten dieser Gebote besteht eine gewisse Möglichkeit, Jesus zu erkennen. Auch für unsere zwischenmenschlichen Konflikte ist der Gedanke der Sühne, der Wiedergutmachung hilfreich. Oft hilft eben nicht einfach nur zu sagen: Schwamm drüber, war ja nicht so schlimm. Sondern ich sollte fragen: Welchen Ausgleich erwartet mein Gegenüber? Welche Wiedergutmachung sollte ich leisten? Wo sollte ich um Verzeihung bitten? Nur so kann zwischen Menschen wieder Versöhnung gestiftet werden, Frieden einkehren.

Vitus von Waldburg-Zeil, ltd. Pfarrer der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz, Herbrechtingen

 

Maria Magdalena: „Begegnung und Zu-Wendung zum Leben“

Die Frau aus Magdala, einem Ort am See Genezareth, ist Jüngerin und Vertraute des Jesus von Nazareth. Die Bibel erzählt, dass sie zusammen mit anderen Frauen als erste gesehen und geglaubt hat, dass der Gekreuzigte lebt.
Drei Aspekte machen mir diese Frau und diese Erzählung so wertvoll.

Magdalena lebt aus Begegnungen. Sie spürt in sich die Sehnsucht nach erfülltem Leben und nach Gott. Vom Mann aus Nazareth wird sie wahrgenommen und ahnt seine Lebenskraft. Der gewaltsame Tod dieses Vertrauten und Meisters stürzt sie in Verzweiflung und Trauer. Maria begegnet hautnah den dunklen Seiten in sich und der Welt.

Magdalena ringt zeitlebens um ein gutes Maß von Nähe und Distanz zu Jesus. Wie sehr den eigenen Weg gehen, wie sehr sich auf diesen Mann aus Nazareth einlassen? Jesus nennt die Frau aus Magdala vor dem Grab beim Namen: „Maria“. Sie ist Jesus sehr nahe und doch kann und darf sie ihn nicht fassen: „Rühr mich nicht an“. Dieser Moment intimsten Begegnens verändert ihr Leben. Sie erkennt sich selbst und geht ihren Weg ins Leben.

Magdalenas Leben wandelt sich durch die Begegnung mit Jesus. Umkehr und Zuwendung begleiten ihre Geschichte. Sie geht zum Grab und nach der Botschaft des Engels wendet sie sich um - aus der Grabkammer heraus in die Morgendämmerung. Als Jesus sie bei ihrem Namen ruft, ändert sich ihre Lebensperspektive endgültig. Maria erfüllt Auftrag des Auferstandenen und sie wendet sich dem Leben und der Welt zu.

2024 brauchen wir Menschen, die darauf vertrauen und weitersagen, dass die Botschaft vom Leben stärker ist, als die Fokussierung auf Tod und Zerstörung. Menschen, die trotz und mit dem Leid der Welt und mit persönlicher Trauer kraftvoll und zärtlich für das Leben aktiv sind. Männer und Frauen, die unerschrocken andere ermutigen, dem Leben und ihrer Sehnsucht zu trauen.

Maria Magdalena ist die erste Zeugin der Auferstehung. In der Urkirche hatte sie eine leitende Rolle inne. Papst Franziskus hat Maria Magdalena 2016 „apostola apostolorum“, Apostelin der Apostel genannt und ihre Bedeutung für unsere heutige Zeit herausgestellt.

Ein frohes Fest der Auferstehung und des Lebens!
Elisabeth Redelstein, Theologin und Referentin in der Familienpastoral

Einladung zur Freude

Es ist Halbzeit: 4. Fastensonntag. In vier Wochen sind wir schon am Ziel angelangt: Gründonnerstag, Karfreitag, Ostern. Dieser 4. Fastensonntag hat einen ähnlich schönen Namen wie der dritte Adventssonntag: Laetare! Freue Dich! Worauf dürfen wir uns freuen? Klar doch, auf Ostern.
Leise, verhaltene Freude: ER, Jesus Christus hat das enorme „Unternehmen“ Rettung und Erlösung vollbracht, das Sünde und Tod aus den Angeln hebt und Menschen, die sich von Ihm an die Hand nehmen lassen, mit Hoffnung und dankbarer Zuversicht erfüllt.
Laetare, freue Dich, Christenmensch! Freut euch alle, die ihr mit Ihm auf dem Weg seid.

Für den Menschen von heute, der jeden Tag unsere säkulare Luft einatmet und von ähnlich säkularen Medien informiert, belehrt und unterhalten wird, kann diese Einladung zur Freude eher befremdlich sein. Für den einen oder die andere kann es ein Anstoß sein. Laetare, freue Dich, - auch wenn deine Grundstimmung gerade gar nicht so locker und ungetrübt ist.
Die Verkündigung an diesem Sonntag „Laetare“ gipfelt in einem einzigen Satz aus dem Johannesevangelium: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh.3,16)

Der Satz hat es in sich. Er gilt für jeden von uns. Es geht um mein, Dein, unser aller Leben. Es geht um Leben, das ewig ist. Leben, das alles überbietet, was dieses Erdendasein uns zu bieten hat. Der Sohn Gottes, Jesus Christus, hat sein Menschenleben drangegeben im Verrat, in der Geiselung, in der Dornenkrönung, in der Hinrichtung am Kreuz. Drangegeben für uns? Für Dich, für mich, für uns.

Hat das eine Bedingung? Ja, für jeden, der an Ihn glaubt. Ist es schwer, an einen anderen Menschen zu glauben? Eigentlich nicht. Die Kinder machen es uns vor: wer ihnen mit Zutrauen begegnet, dem schenken sie ihrerseits Vertrauen. Und solches Vertrauen in den anderen setzen, tut gut.

Jesus Christus spricht zu mir, zu Dir, zu uns: Vertraue mir! Glaube mir!
Lass Dich an der Hand nehmen. Ich begleite Dich durch dein Leben, durch deine Freude, durch deine Enttäuschungen, in deinem Versagen, in deinen Ängsten.
So habe ich Dich geliebt und liebe Dich immer noch. Denn ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Ich bin durch die dunklen und dunkelsten Augenblicke hindurch gegangen, hinab gestiegen in das Reich des Todes. Am dritten Tage bin ich auferstanden – gemäß der Schrift.
Hälst Du es wie der Zweifelapostel Thomas? (Joh.20,24) – oder suchst Du mich wie Maria Magdalena? (Joh.20,10) – oder ist es Dir zum Davonlaufen wie dem Kleophas auf dem Weg nach Emmaus? (Luk 24,18)…
Viele, viele sind Ihm in ihrem Leben mit einem offen werdenden Herzen begegnet: Ein Mathematiker wie Blaise Pascal, der ein tiefes Begegnungserlebnis hatte. Ein Charles de Foucauld, der nicht wusste, wozu er lebte. Ein Eugen Bolz, den die Nazis verhaftet hatten wegen seiner christlichen Ansichten. Eine Edith Stein, die zum Glauben an Ihn gekommen den Weg mit Ihm in KZ Ausschwitz ging. Sie und viele, viele von uns glaubten der Liebe. Sie ließen sich ins Vertrauen – und ins Leben Gottes rufen.

Beim Besuch von Papst Benedikt in Bayern 2007 wurde ein neues Lied komponiert mit folgendem Text: „Wer glaubt, ist nicht allein, Du Herr, willst bei uns sein,
mit Deiner Kraft, die Leben schafft, wer glaubt, ist nicht allein.“
Laetare! Freue Dich! Eine Einladung, die von Herzen kommt.
Eine Einladung, der rettenden Liebe Jesu Christi zu vertrauen.
Da ist Leben drin! Leben in der Fülle Gottes.

Ich freue mich. Freuen Sie sich mit!                                        Pfarrer Rolf Oster

Zeit für einen Blickwechsel

Zum Frühjahr gehört für einige Menschen das Fasten und das nicht, um unnötiges Gewicht loszuwerden. Es geht nicht ausschließlich darum, eine bestimmte Zeit auf Süßigkeiten, Alkohol oder andere Genussmittel zu verzichten. Fasten ist weit mehr als Entsagung. Inzwischen gibt es viele Varianten: Auto- oder Klimafasten, Plastikverzicht, kein Online-Shoppen oder Nutzen von Social Media… All das macht deutlich, dass Fasten keine rein körperliche Angelegenheit ist, sondern den ganzen Menschen und sein Handeln einschließt. Und so ist es die Einladung einen Blickwechsel zu wagen. Wenn wir eine bestimmte Zeit – etwa die vierzig Tage bis Ostern – die Routine des Alltags durchbrechen und hinterfragen, bekommen wir eine andere Perspektive auf uns. So können wir erst entdecken, worauf es ankommt im Leben. Fasten bedeutet dann eben nicht weniger, sondern mehr. Vor allem kann es der Anfang zum Umdenken mit positiven Wirkungen sein: im persönlichen Bereich, für andere und die Umwelt.

Im März beginnt auch im Islam der Fastenmonat Ramadan. Diese Tage haben für Muslime eine ganz eigene Prägung. Auch wenn sich nicht alle Muslime als streng gläubig verstehen, bekomme ich immer wieder mit, dass ihnen das Fasten sehr wichtig ist. Es mag sein, dass sie sich dadurch einer großen Gemeinschaft zugehörig fühlen können. Neben dem Verzicht auf Essen und Trinken tagsüber, sind die Gebetszeiten und das gemeinsame Fastenbrechen mit dem Abendessen nach Sonnenuntergang ein wichtiger Bestandteil dieses Monats. Besonders sympathisch finde ich, dass es beim Fasten darum geht, sich in diejenigen hineinzuversetzen, die weniger oder nichts zum Leben haben. – Auch das ein Blickwechsel! Doch dabei bleibt es nicht, im Sinne von „Jetzt weiß ich, wie es ist“. Bedürftige werden zum gemeinsamen Essen am Abend eingeladen bzw. für sie gespendet. So bekommt dieser Blickwechsel einen Mehr-Wert und wohltuende Wirkung für andere.

Ilse Ortlieb, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Heidenheim-Nord

„Wat e Theater – wat e Jeckespill“

Die Worte des Mottos des diesjährigen Kölner Karnevals bringen es für mich gekonnt auf den Punkt, was wir in diesen närrischen Tagen feiern. Ins Hochdeutsche übersetzt, hat doch jeder schon mal diesen Seufzer ausgesprochen: Was für ein Theater, was für ein Jeckenspiel. Manch ein oder anderer mag sich fragen, wie das auch in diesen Tagen passen soll in Anbetracht von Kriegen und Naturkatastrophen, die die gesamte Welt in den letzten Jahren in Atem gehalten und ordentlich auf das Gemüt gedrückt haben, ob im kleinen daheim, am Arbeitsplatz oder im Blick auf die ganze Welt. In den Bibelstellen an diesem Sonntag geht es in den katholischen Gottesdiensten um genau solche Grenzerfahrungen von Krankheit, sozialem Tod und Heilung. Hierbei stellt sich mir die Frage: Warum gelingt es uns nur an diesen besonderen sieben Tagen im Jahr, Menschen mit all ihren Eigenheiten zu integrieren und gemeinsam das Leben zu feiern? „Wat e Theater – wat e Jeckespill“ – vielleicht tun uns gerade in diesen Tagen das närrische (kölsche) Lebensgefühl im rauen Ostalbklima gut um lachend Hoffnung zu verbreiten, gegen das Grau in Grau unserer Alltagssorgen. Seien wir gemeinsam, wie Paulus sagt: „Narren um Christi Willen“, für die am Aschermittwoch nicht alles vorbei ist. Lassen sie sich vom Lachen der Fasnet, des Faschings, des Karnevals in Ihrer Hoffnung anstecken! Alaaf, Helau und Halleluja.

Pfarrer Michaelis, Leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Unteres Brenztal

ein weises Lächeln

Vor ein paar Jahren, als ich selbst mit einer schwierigen Situation konfrontiert war, begegnete ich ihr bewusst zum ersten Mal. Sie lächelte mich von ihrer erhöhten Position aus an und ihr Lächeln hatte etwas Tröstliches, Mut machendes. Seither besuche ich sie gerne, wenn ich dort unterwegs bin: die in Stein gehauene lächelnde Maria an der Außenfassade des Hauptportals am Ulmer Münster. Sie lächelt alle Vorüberziehenden an, ob diese es sehen oder nicht: die von Sorgen geplagten wie die Lebensfrohen, alt und jung, Religionszugehörigkeit spielt sowieso keine Rolle, denn sie selbst, in ihrem irdischen Leben praktizierende Jüdin, wurde am Ulmer Münster ja auch schon katholisch und evangelisch. Ich stelle mir vor, was sie in ihren ca. 600 Jahren am Münsterplatz schon so alles gesehen hat….

Ihr Lächeln bleibt. Es strahlt eine tiefe Weisheit aus, die ganz einfach „Ja“ zum Leben sagt, was immer da auch sein mag.

Am vergangenen Samstag konnte sie etwas Besonderes miterleben: innerhalb kurzer Zeit versammelten sich vor ihr an die 10000 Menschen, um friedvoll für die Demokratie in unserem Land einzustehen und für die damit verbundene Vielfalt menschlichen Lebens. Direkt in ihrer Nähe stand eine Gruppe fröhlicher junger Menschen, von einem Regenbogenumhang eingehüllt, auf ihrer anderen Seite ein agiler Mann, eine riesige Europa-Fahne schwingend. „Nie wieder 1933“ und „Nie wieder ist jetzt“ konnte sie auf Schildern vor sich lesen. Und ich habe bemerkt: ihr Lächeln war tief und weise…..vielleicht noch eine Spur mehr als sonst.

 

Beate Limberger, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz

Die Wahrheit über die Heiligen Drei Könige

Was feiern wir eigentlich am Fest der Heiligen Drei Könige? Die Sternsinger? Die drei Magier aus dem Morgenland? Vieles ist unverständlich in der Geschichte aus dem Matthäusevangelium.
Dr. Katrin Brockmöller ist Leiterin des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart und sie erklärt im Kapellengespräch, worum es bei der Geschichte geht und worum nicht. 

Weihnachtszeichen

„Und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, und wickelte ihn und legte ihn in einen Futtertrog, weil in der Einkehr kein Platz für sie war.“ (Lk 2,7 Übersetzung Fridolin Stier). Die Schlichtheit dieser Erzählung, die doch von so großer Tragweite ist, beeindruckt mich immer aufs Neue. Soll das dem unendlichen Gott angemessen sein? Um dies buchstäblich be-greif-lich zu machen, holte Franz von Assisi am Heiligabend 1223, also vor genau 800 Jahren, lebendige Menschen und Tiere in einer Waldgrotte bei Greccio. Möglicherweise hat er damals tatsächlich das erste Krippenspiel der Geschichte inszeniert. Was man mit eigenen Augen sieht, bleibt eben doch bedeutend besser hängen, als was man nur gehört hat. Und so wurde die Krippe zum untrügliche Erkennungszeichen für die herbeieilenden Hirten. Ich finde es bemerkenswert, dass ausgerechnet die gewöhnliche Futterstelle für Schafe später zum Synonym für alle figürlichen Weihnachtskrippen geworden ist, namensgebend für die Krippenspiele und auch die Krippengruppen der Kleinkinder in den KiTas. Bei allem äußerlichen Kontrast der Form und des wertvollen Inhalts vermittelt die Krippe wohl intuitiv das Gefühl von Geborgensein und Wärme, von Liebe und Zärtlichkeit. Sehr wichtig gerade am Beginn eines Menschenlebens! Auch der neugeborene Jesus war so hilfsbedürftig und verletzlich wie alle kleinen Menschenkinder. Die theologische Aussage, dass er in Betlehem geboren sei, lässt aufhorchen: Der Ortsname heißt übersetzt „Haus des Brotes“. Mir ist der alte hölzerne Backtrog aus meinem Elternhaus sehr vertraut, in dem früher unter den Händen meiner Mutter der Teig für das tägliche, kostbare Brot entstand. Diese unverzichtbare so genannte „Bachmold“ erinnert mich an jenen Futtertrog in Betlehem, der das höchste Gut der Welt in sich barg. Ich stelle mir vor: So herzhaft und sättigend wie ein frischer Laib Schwarzbrot Leib und Seele nährt, so beglückt waren die Menschen beim Anblick des kleinen Jesuskindes in der Krippe. Und selbst wenn wir Lebkuchen verzehren – keine Adventszeit und kein Weihnachtsfest ohne Gebäck! – böte das nebenbei Anlass, über dessen geistigen Gehalt nachzusinnen: Bedeutet doch das Wort „Leb“ so viel wie „Arzneimittel“ oder „Heilmittel“! Wie auch immer… das bevorstehende Hochfest der Menschwerdung Gottes möge uns allen tief drinnen gut tun und zuversichtlich stimmen! „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt!“ (Alfred Delp)

Pfarrer Dietmar Krieg, Schnaitheim

Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir...

Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott... (Buch Jesaja 41,10). In der stimmungsvollen Adventszeit, die traditionell von Gemeinschaft, Beisammensein und Nächstenliebe geprägt ist, scheint Einsamkeit paradoxerweise intensiver zu werden. Die funkelnden Lichter und festlichen Klänge der Jahreszeit verstärken oft die Leere, die manche Menschen in ihrem Inneren empfinden. Da können die Worte aus dem Buch Jesaja Lichtstrahl und Hoffnung sein und die Gewissheit bieten, dass wir in der Gegenwart Gottes nie allein sind.
Die oben zitierte Bibelstelle besinnt darauf, dass Gott uns durch die Herausforderungen des Lebens begleitet, immer an unserer Seite ist und uns mit seiner Liebe stärkt. In dieser Gewissheit können wir uns auch daran erinnern, dass wir dazu berufen sind, einander beizustehen und die Liebe Gottes mit unseren Mitmenschen zu teilen.
Die Adventszeit, als Vorbereitung auf die Geburt Christi, bringt die Bedeutung von Gemeinschaft und Liebe besonders hervor. Inmitten der Dunkelheit des Alleinseins zeigt der christliche Glaube, dass jeder Mensch in den Augen Gottes von unschätzbarem Wert ist.
Die Vorweihnachtszeit erinnert daran, dass das Licht der Hoffnung selbst in den dunkelsten Momenten scheinen kann. Kirchliche Traditionen können einen Rahmen bieten, um die eigene Einsamkeit zu überwinden, indem sie die spirituelle Verbundenheit mit Anderen verdeutlicht. Ebenso kann ein Gespräch von Mensch zu Mensch – im Bus oder an der Ampel – der Einsamkeit zumindest für einen Moment entgegenwirken. Auch die Kontaktaufnahme mit der TelefonSeelsorge kann bei Einsamkeit, Krisen, belastenden Situationen und Gefühlen eine Hilfestellung sein und wohltuende Linderung für den Moment verschaffen.
Möge die Botschaft von Weihnachten in den Herzen aller Menschen leuchten und sie dazu inspirieren, Liebe und Wärme miteinander zu teilen, besonders mit jenen, die sich gerade einsam fühlen. Lasst uns füreinander da sein und aufeinander achten.

Miriam Sommer, TelefonSeelsorge Ulm / Neu-Ulm / Heidenheim / Ostalb

König Christus – heute noch zeitgemäß?

An diesem Wochenende feiert die katholische Kirche, wie jedes Jahr am letztem Sonntag vor der Adventszeit den Christkönigssonntag.

Christus als König? Ist das eine Vorstellung und ein Hoheitstitel für Jesus, mit dem wir gerade in demokratischen Ländern wie Deutschland heute noch was anfangen können? Steht ein König nicht genau für ein autokratisches System? Für einen Alleinherrscher, der vor allem sein eigenes Wohl im Blick hat? Gerade in der jetzigen Zeit, in der sich die Demokratien der Welt immer öfter gegen Angriffe wehren muss, kann man da als Christ Christus als König feiern?

Ich denke ja. Denn Christus ist nicht so eine Art König, wie er oben beschrieben wird. Ein absoluter Monarch, der willkürlich schaltet und waltet. Er ist ein König, der nur unser Bestes als Menschen im Sinn hat. Ein König, der Frieden will. Ein menschenfreundlicher König, der die Würde jedes einzelnen Menschen in den Blick nehmen will.

Ist nicht die Würde eines jeden einzelnen Menschen genau der Kern jeder Demokratie? Die Grundlage für diese Staatsform ist doch, dass alle Menschen gleich sind vor Gesetz und Staat und damit gleiche Rechte und Pflichten haben, weil wir als Menschen alle die gleiche Würde besitzen. Und genau aus diesem Grund ist es kein Widerspruch, wenn man als Christ in einer Demokratie auch das Christkönigsfest feiert. "Wir sollen, wie er als guter König uns vorlebt, auch selbst alle Menschen mit in diesen würdevollen Blick nehmen" und so alle teilhaben lassen an unserer Gesellschaft. Wenn uns das immer mehr gelingt, dann beginnt Christi Königsherrschaft schon heute unter uns.

Florian Kick, Pastoralreferent in der kath. Seelsorgeeinheit Heidenheim

 

 

„Gedenken an die Opfer von Gewalt und Krieg“ - Volkstrauertag

Die öffentliche Rede des Bundespräsidenten am Volkstrauertag beginnt mit:

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.“ Und es folgt im weiteren Verlauf: (…) „Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Das ist die Wirklichkeit: Viele Menschen stellen sich in den Dienst von Gewalt und Unterdrückung, im Kleinen oder Großen, sie üben sie aus oder bejubeln diejenigen, die es tun. Gewalt bringt denen die sie ausüben oder unterstützen ein langes „Gedenken“, das sagt schon die Bibel: Namen, Menschengruppen werden sehr, sehr lange mit Gewalt verbunden und „erinnert“. Wo der Opfer gedacht wird, wird auch der Täter gedacht.

Krieg sei immer ein Versagen, sagt Papst Franziskus. Er hat Recht. Nur beginnt Krieg nicht erst bei Waffengewalt. In „Kassandra“ lässt Christa Wolf diese sagen „Wo der Krieg beginnt, ist leicht zu sagen. Aber wo beginnt der „Vorkrieg?“. Für uns Heutige: Beginnt sie beim Spielen von Computer-Kriegsspielen, bei der rohen Sprache, bei Musik z.B. in der Rapperszene? Ist sie da in den Demos, die Gewalt unterstützen, aus welchen Gründen auch immer?

Reicht da die Hoffnung auf Versöhnung und die ins Wort gebrachte „Verantwortung für den Frieden“? Ich finde nicht. Es braucht kraftvolle Taten, die sich „Gewaltanfängen“ entgegenstellen können: keine netten Worte als Antwort auf Faustdrohungen. Es braucht eine Erziehung bereits bei den Kindern, zu Hause und in der Schule. Es braucht die Ausbildung einer inneren Stärke, einer Herzensbildung, aber auch eines Selbstbewusstseins, das einstehen kann.

Das Christentum ist eine zutiefst dem Frieden verpflichtende Religion. Jesus Christus hat Gewalt bis zuletzt abgelehnt. Von daher hat es auch einen besonderen „Tatauftrag“: Wie schaffen wir Frieden, wie gehen wir mit Konflikten um? In einer Einwanderungsgesellschaft ist das nicht mehr selbstverständlich. Wir brauchen einen neuen Anlauf, Kinder – gleich woher sie kommen - zum Frieden zu erziehen. Wenn wir nach den „Zeichen der Zeit“ fragen, hier sind sie: Worte zum Frieden allein reichen nicht. Es muss mehr getan werden.

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin Heidenheim

Was leisten Kranke und Sterbende?

Was und wen feiern wir an Allerheiligen? Alle unsere Vorfahren, die verborgen und deshalb oft vergessen „heiligmäßig“ gelebt oder „heldenhaftes“ getan haben. Zu diesen unbekannten Heiligen gehören für mich auch alle Kranken und Sterbenden, die geduldig und tapfer am Ende oder auch in der Mitte ihres Lebens verborgene Leidens- und Lebensarbeit leisteten. In unserer Leistungsgesellschaft zählen aber bekanntlich nur Menschen die effizient sind und das Leben vor sich haben. Kaum einer kommt auf die Idee, dass dazu auch Schwer- und Todkranke gehören könnten. Denn, wer weiß von der (un)heimlichen Wandlungskraft des Leidens und dem Lebensmut des Abschiednehmens? Was geht einer Gesellschaft verloren, wenn sie diese Lebens- und Leidensarbeit nicht als wichtigen Teil ihres „Humankapitals“ sieht und würdigt? Werden wir durch die Leidenden doch darauf gestoßen, dass keineswegs alles aktiv zu machen und zu leisten ist. Wie armselig ist doch eine stromlinienförmig auf Effizienz gepolte Welt, wo nur zählt, was Erfolg verspricht? All das, was es in einem Leben zu bestehen und zu lassen gilt, macht es erst rund und reif. Jesus hat Kranke geheilt, indem er ihren Glauben an Heilung stärkte und sie aus der Isolierung zurück in die Gemeinschaft holte. Seine Botschaft auch für uns heute könnte lauten: Habt keine Angst vor dem Leben und habt keine Angst vor dem Tod.
Kranke und Sterbende brauchen Solidarität, Empathie und Würdigung ihres Beitrags zum großen Kreislauf in der Schöpfung Gottes. Die Mystikerin und Sozialarbeiterin Madeleine Delbrel formuliert diese Erkenntnis so: „Das Leben bereitet uns auf das Sterben vor, und es versteht sein Geschäft. Man muss ihm nur zuhören, es sehen, ihm folgen…Aber es geht darum, bei jedem Sterben wirklich geboren zu werden. Wichtig ist dabei, den Umgang mit dem Leben zu lernen.“

Michael Junge, Diakon in Herbrechtingen und Niederstotzingen

Katastrophal

Wieder einmal möchte ich den früheren Heidenheimer Pfarrer Dr. Christoph Keller in den Sonntagsgedanken zu Wort kommen lassen:

„Hat eine Partei bei einer Wahl ein paar Prozente eingebüßt, machen die Sprachregler in den Medien daraus ein „Debakel“. Findet ein Amtmann nicht binnen Sekunden den erbetenen Bebauungsplan, herrschen bei der Stadt „chaotische Zustände“. Ragt im Altersheim ein Schuhabstreifer aus seinem Bett, handelt es sich mindestens um eine „Tragödie“. Lautet die Schulempfehlung für einen Viertklässler nicht Gymnasium, ist es eine „Katastrophe“, und zwar eine „totale“. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Da haben wir in unserer Sprache Ausdrucksmöglichkeiten noch und noch für so ziemlich alles, was es unter der Sonne gibt, und machen diese große Schublade kaum auf. Am wenigstens machen, so scheint es, diejenigen sie auf, denen das Fernsehvolk täglich aufs Maul schaut. Ihr Wortschatz ist nachweislich kaum größer als der eines Zwölfjährigen. Durch sie ist unsere Sprache an der Armutsgrenze angekommen. Trotz der Lächerlichkeit der Massenartikler, die uns an den Sprachbettelstab gebracht haben, ist mir eher zum Weinen als zum Lachen zumute. Denn beschädigt ist auch die Predigtzuhörerschaft. Viele Worte versteht sie nicht mehr. Wenn nicht aus anderen Gründen, so aus diesem Grund sind wir gezwungen, die Armenbibel wieder vorzuholen.

Schlimmer noch als der Schwund des Wortschatzes ist der Einsatz von Sprachbomben aus nichtigen Anlässen. Weiß man denn hierzulande noch, was wirklich eine Katastrophe ist, wenn jeder Stau zur Katastrophe erklärt und jedes faule Ei zur Horrormeldung hochgeputscht wird? Wir werden sprachlos sein, sollte es einmal wirklich dick kommen. Und mit der Sprachlosigkeit geht wie ein eineiiger Zwilling die Verzweiflung einher. Wo soll bei einem schweren Brand die Feuerwehr herkommen, wenn alle Löschfahrzeuge dauernd zu Aschenbechern unterwegs sind!

Nur wenn man klein nennt, was klein ist, bleibt die Ahnung von dem, was groß ist, erhalten, und nur mit der Reservierung der Worte für das, was sie meinen, wird verhindert, dass wir unsere Gefühle verheizen an Feuern, die diesen Namen nicht wert sind“.

Fast ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Pfr. Keller diese Glosse geschrieben hat. Leider sind seine Gedanken in Zeiten des Internets und Smartphones aktueller und zutreffender denn je. Machen wir nicht aus jeder Mücke einen Elefanten!

Dekan Dr. Dietmar Horst, Seelsorgeeinheit Härtsfeld

 „Und er sah, dass es gut war.“ (Gen 1)

Wir feiern vielerorts Erntedank. Die Kirchen sind festlich geschmückt und der „Ertrag der Erde“ wird uns vor Augen gestellt. Deutlich wird: Es ist ein Privileg, in solch einer Region, in solch einer guten Versorgung zu leben. Noch ist alles da. Privilegien verpflichten aber. Nicht: Was will ich von der Welt, der Gesellschaft, vom „Leben“ haben? Eher: Was will und kann ich der Welt, der Gesellschaft geben? Wo kann ich Zeichen setzen für das, was mir wichtig ist, an das ich glaube? Christlich gesprochen: Wie kann ich dazu beitragen, dass alle ein gutes Leben führen können und welcher Mensch will ich dabei sein?

Die christlichen Kirchen erinnern mit Erntedank den Menschen an seine Geschöpflichkeit: Jeder und jede Einzelne ist vom Schöpfergott gewollt, aber auch abhängig von der Schöpfung, ist in sie hineingewebt. Ohne die Schöpfung können wir nicht sein, sie aber gut auch ohne uns. Ohne einen gut funktionierenden Kreislauf sterben andere in bitterer Armut, entstehen Kriege um Ressourcen und werden unsere nachfolgenden Generationen „das Gute“ verlieren.

„Und er sah, dass es gut war.“ lesen wir im Schöpfungsbericht des Alten Testaments. Was Gott gut gemacht hat, sollen wir nicht zerstören. Das „Beherrschen“, das dem Menschen in Folge dieser Erzählung überantwortet wurde, meinte nach damaligem Menschenbild ein Sorgen und Pflegen, nicht Ausbeuten und Vernichten.

Wir sind verpflichtet zum nachhaltigen Lebensstil: aus Vernunft und Einsicht, mehr aber noch aus dem Glauben an den nährenden und bergenden Gott. Denn: Nachhaltig Leben ist ein Glaubenszeugnis und völlig unabhängig von Klimaveränderung und -krise. Es entspricht der christlichen Verantwortung für die Gemeinschaft aller Menschen und Lebewesen. Deshalb haben sich katholische Gemeinden dem ökumenischen Projekt „Faire Gemeinde“ angeschlossen – als Glaubenszeugnis. Das Projekt ermöglicht einen konsequenten Start in ein nachhaltiges Gemeindeleben, setzt Zeichen für eine „Gemeinde for future“. Christliche Gemeinden als Vorbild und Anstoß, auch das ist Kirche.

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin katholisches Dekanat Heidenheim

Mehr als Brot und Rosen

Elisabeth von Thüringen  (1207-1231) ist eine populäre Heilige Frau aus dem Mittelalter und viele Mädchen und Frauen tragen ihren Namen. Brot und Rosen sind Symbole ihrer Berufung zu sozialem Engagement. Sie stehen für die leibliche Nahrung und die menschliche Würde, mit der Elisabeth bis heute vielen Frauen und Männer die frohe christliche Botschaft vom Leben in Fülle nahe bringt.
Eine Frau, die ebenfalls den Namen Elisabeth trägt, hat sich für die menschliche Würde vor 75 Jahren so nachhaltig eingesetzt, dass unsere Gesellschaft noch heute davon profitiert.

Martha Elisabeth Selbert (1896-1986), wuchs als zweitälteste von vier Schwestern in einer christlich orientierten Familie in Kassel auf. Für einen Bildungsweg am Gymnasium reichte das Geld nicht. Stets in ihrem politischen Interesse von ihrem Ehemann Adam gefördert, entfaltete sich ihr Gerechtigkeitsdenken. Im Selbststudium bereitete sich Selbert auf das Abitur vor und studierte bis zur Promotion als eine von wenigen Frauen Rechts- und Staatswissenschaften. Mutter zu sein von zwei Kindern vereinbarte sie mit ihrem Engagement für Frauenrechte. Als eine der vier "Mütter des Grundgesetzes" arbeitete sie 1948 im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit. Auf ihr Beharren geht der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" (Artikel 3 GG) zurück. In Martha Elisabeth Selbert begegnen wir einer Frau, die im gesellschaftlichen Umfeld ihrer Zeit zielgerichtet einen Weg für die konkrete Umsetzung der Würde der Frau bahnte.

Was oder wer hat sie motiviert, sich gegen alle Widerstände für ein Leben in Fülle und für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einzusetzen?

Wer oder Was motiviert ehrenamtlich engagierte Menschen heute im Jahr 2023, sich für die Würde von älteren Menschen, Frauen, Kindern, Kranken und Geflüchteten in unserem Gemeinwesen einzusetzen?

Diese Antwort bekam ich selbstbewusst von einer 80 jährigen Dame, die als „Elisabethenfrau“ aktiv Geburtstagsbriefe an Menschen in Ihrer Gemeinde überreicht. „Wissen Sie, ich möchte für die Menschen da sein, die vielleicht sonst niemanden mehr haben; außerdem hält mich das fit und jung.

Gabriele Holland-Junge, Caritas im Lebensraum Heidenheim

Gemeinderegel

Um das Sich-einschalten geht es der Gemeinderegel im Evangelium des Sonntags (Mt 18, 15-20). Dass man eingreift, erwartet sie von einem Christenmenschen. Wenn im Bekanntenkreis jemand am Entgleisen ist, darf ich nicht sagen: Das geht mich nichts an. Das wäre der bequemere Weg, ist aber nicht der christliche Weg. Gewiss gilt: Kehr vor deiner eigenen Tür. Gewiss gilt: Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken in deinem eigenen Auge siehst du nicht. Aber das darf nicht zur Ausrede dafür werden, dass man schweigt. Wenn du nicht redest, wirst du mitschuldig, steht schon im Alten Testament. Gott wird von dir Rechenschaft fordern. Du hast nichts unternommen, um den Freund, den Kollegen zur Umkehr zu bewegen. Damit hast du gegen die Nächstenliebe verstoßen.

Christus legt auf Zweierlei Wert: erstens darauf, dass Sünde vergeben wird, wie von Gott, so auch von den Menschen, und zweitens darauf, dass man nichts durchgehen lässt, mit anderen Worten: dass es einem Christen nicht egal sein darf, ob sein Mitchrist versumpft oder sich herausziehen lässt aus dem Sumpf der Sünde. Vom Zweiten handelt die sogenannte Gemeinderegel im Evangelium. Gemeinderegel bedeutet das Verfahren, das sich die Gemeinden den Schuldiggewordenen gegenüber zur Regel machen soll. Diese Regel ist aber nicht nur für christliche Gemeinden gedacht, sondern kann überall im menschlichen Zusammenleben angewandt werden.

Stufe l: Mit dem Schuldigen reden. Wer das tun soll, steht nicht da. Der Auftraggeber ist das Gewissen. Wir merken: die christliche Reaktion besteht nicht darin, Schuld zu bestreiten, indem man sie mit schlechtem Elternhaus, schlechter Umgebung, Misserfolgen, Frustrationen und dergleichen wegerklärt. Christliche Reaktion setzt immer aufs Umsteuernkönnen. Kein Mensch ist verdammt dazu, sich zu Tode zu sündigen. Aufgeben gilt nicht, wenn sich der Sünder nichts sagen lässt, dann kommt Stufe 2: Man steigt ihm zu Zweit oder Dritt aufs Dach. Er muss spüren, dass meine Kritik nicht Privatmeinung, nicht Einmischung in fremde Angelegenheiten ist, sondern dass wir uns Sorgen machen um ihn. Hat auch das keinen Wert, „dann sag es der Gemeinde“. So steht es im Evangelium. Stufe 3 heißt, dass der Fall in der nächsten Sitzung in Anwesenheit des Betreffenden behandelt wird. Ihm droht der Verlust der Mitgliedschaft, das Aufkündigen der Gemeinschaft. Letzte Mahnung also!

Die Maßregelung ist kein Ausschluss für immer, sondern bedeutet die gelbe bzw. die rote Karte. Selbst die gerechtfertigtste Sperre, der gerechtfertigtste Platzverweis ist eine Erziehungsmaßnahme, zielt auf Besserung, nicht auf Verdammung, heißt nicht: Ich will dich nicht mehr sehen, sondern: ich will dich so nicht mehr sehen. Also Mut zur Zivilcourage, zum offenen, ehrlichen Wort!

Dekan Dr. Dietmar Horst; Seelsorgeeinheit Härtsfeld und Dekan des kath. Dekanats Heidenheim

 

Für wen haltet Ihr mich?

Für wen haltet Ihr mich?

Diese scheinbar harmlose Frage stellt Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern. Nicht aber, weil er gerne hören möchte, wie groß und besonders er ist. Nein, er möchte seine Weggefährt*innen ermutigen, sich Gedanken zu machen, welche Bedeutung Jesus für sie ganz persönlich hat und in welcher Beziehung sie zu ihm stehen. Ist er für sie ein Freund? Ein Wunderheiler? Ein Prophet oder der lang ersehnte Retter, der Messias? Sicher ein bisschen von allem – und noch viel mehr!

Auch wir sind durch diese Frage immer wieder eingeladen, darüber nachzudenken, welche Rolle Jesus für uns spielt. Sicher wird die Antwort ganz individuell ausfallen, je nach Lebenssituation, Tagesform oder den persönlichen Erfahrungen, seien sie schmerzlich oder freudvoll. Eine abschließende Antwort wird es daher nie geben. Aber darum geht es Jesus vielleicht auch gar nicht. Viel wichtiger als die perfekte Antwort ist wohl das Suchen und das sich auf den Weg machen. Denn: Ein Antwortversuch, ja schon allein das Stellen der Frage „Für wen hältst Du mich?“, verändert ganz entscheidend die Qualität einer Beziehung. Ganz egal ob innerhalb der Familie oder im Freundes- und Kollegenkreis. Wer sich einmal traut, diese Frage seinem Gegenüber zu stellen oder sie ehrlich und persönlich zu beantworten, wenn er sie selbst gestellt bekommt, der wird das schnell merken. Vielleicht werden falsche oder zu hohe Erwartungen relativiert, weil mir auf einmal klar wird, dass mein Gegenüber, gar nicht derjenige ist, der er auf den ersten Blick zu sein scheint. Dafür entdecken wir vielleicht aber auch ganz neue Seiten oder es tun sich neue Perspektiven auf. In jedem Falle aber wird es die Beziehung verändern, vertiefen und stärken.

Für wen haltet Ihr mich? Trauen wir uns, diese Frage zu beantworten – mit Blick auf Jesus, aber auch mit Blick auf die Menschen, die uns in unserem Leben begegnen und begleiten.

Diese scheinbar harmlose Frage stellt Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern. Nicht aber, weil er gerne hören möchte, wie groß und besonders er ist. Nein, er möchte seine Weggefährt*innen ermutigen, sich Gedanken zu machen, welche Bedeutung Jesus für sie ganz persönlich hat und in welcher Beziehung sie zu ihm stehen. Ist er für sie ein Freund? Ein Wunderheiler? Ein Prophet oder der lang ersehnte Retter, der Messias? Sicher ein bisschen von allem – und noch viel mehr!

Auch wir sind durch diese Frage immer wieder eingeladen, darüber nachzudenken, welche Rolle Jesus für uns spielt. Sicher wird die Antwort ganz individuell ausfallen, je nach Lebenssituation, Tagesform oder den persönlichen Erfahrungen, seien sie schmerzlich oder freudvoll. Eine abschließende Antwort wird es daher nie geben. Aber darum geht es Jesus vielleicht auch gar nicht. Viel wichtiger als die perfekte Antwort ist wohl das Suchen und das sich auf den Weg machen. Denn: Ein Antwortversuch, ja schon allein das Stellen der Frage „Für wen hältst Du mich?“, verändert ganz entscheidend die Qualität einer Beziehung. Ganz egal ob innerhalb der Familie oder im Freundes- und Kollegenkreis. Wer sich einmal traut, diese Frage seinem Gegenüber zu stellen oder sie ehrlich und persönlich zu beantworten, wenn er sie selbst gestellt bekommt, der wird das schnell merken. Vielleicht werden falsche oder zu hohe Erwartungen relativiert, weil mir auf einmal klar wird, dass mein Gegenüber, gar nicht derjenige ist, der er auf den ersten Blick zu sein scheint. Dafür entdecken wir vielleicht aber auch ganz neue Seiten oder es tun sich neue Perspektiven auf. In jedem Falle aber wird es die Beziehung verändern, vertiefen und stärken.

Für wen haltet Ihr mich? Trauen wir uns, diese Frage zu beantworten – mit Blick auf Jesus, aber auch mit Blick auf die Menschen, die uns in unserem Leben begegnen und begleiten.

 

Thomas Haselbauer, Pastoralreferent, Giengen

 

Von Kindern lernen

„Nu ned huddla“- diese schwäbische Weisheit lautet frei übersetzt: „Probier´s mal mit Gemütlichkeit!“

Vieles machen wir mal schnell, gehen noch kurz zur Post, backen noch schnell einen Kuchen, kaufen noch geschwind ein. Wilhelm Busch dichtete: „Einszweidrei! Im Sauseschritt! Läuft die Zeit; wir laufen mit.“

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ticken die Uhren plötzlich anders. Es gibt kaum mehr Termine im Kalender, das Kind bestimmt den Tagesrhythmus.
Das Füttern kann auch mal länger brauchen, wenn das Baby währenddessen einschläft. Kinder können sich ganz ins Spielen vertiefen und vergessen dabei die Zeit. Wenn das Kleinkind laufen lernt- da sind die kleinen Kieselsteine beim Spaziergang oft wichtiger als das Schritte machen und vorankommen. 
Im Matthäus-Evangelium lesen wir: „Da rief Jesus ein Kind herbei […] und sagte: Amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen.“ Mt 18,2f.
Erwachsene sollen von Kindern lernen? Ja, da gibt es einiges: Wie sie die Welt entdecken, wie sie staunen können und ihre Gefühle ehrlich zeigen, sei es Traurig-sein  oder Freude. Noch etwas können wir uns von den Kindern abschauen:
Dass wir Pausen einlegen, gerade dann, wenn wir vorankommen wollen. „Eile mit Weile.“ sagte der römische Kaiser Augustus. Von Martin Luther stammt der Satz: „Wenn du wenig zu tun hast, dann bete eine Stunde; wenn du viel zu tun hast, zwei Stunden.“ 
Pausen können auch gottverbundene Momente sein, in denen wir den Lebensatem spüren. Gönnen wir uns ab und zu eine Zwischenzeit, in der wir wie ein Kind sein können.
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Friedrich Schiller). Ob wir den Regentropfen zuschauen, mit den Fingern ein Muster nachzeichnen oder ein Bonbon aus der Kindheit genießen - bei Gott dürfen wir auch so sein, einfach und ohne großes Nachdenken: Auch wenn wir es gewohnt sind, schnell und effektiv vieles zu erledigen, gilt:  „Halt mal bitte geschwind- inne.“


Lydia Hageloch, Klinikseelsorgerin und Religionslehrerin im katholischen Dekanat Heidenheim

unterwegs … heimwärts

Die Ferien beginnen! „Endlich!“, sagen manche … manche fürchten sich aber auch davor.

Wir gönnen uns die freie Zeit, um Abstand vom Alltag zu gewinnen. Das kann schön werden, wenn wir endlich das tun können, worauf wir uns schon lange freuen, wonach wir uns gesehnt haben. Es kann uns schöne, unvergessliche Momente schenken. Und es kann mit Entdeckungen verbunden sein, die wir uns nie hätten träumen lassen.

Von solchen Entdeckungen berichtet heute die Bibel im Matthäusevangelium, wenn es vom Schatz im Acker und einer wunderschönen Perle spricht. Für diese Entdeckungen gibt der Finder alles andere auf – nur um diese Entdeckungen sein Eigen zu nennen. Wie wertvoll müssen diese Entdeckungen sein! Von welcher Entdeckung wird da in der Bibel gesprochen?

Jesus spricht vom Himmelreich, das wie ein Schatz im Acker oder eine kostbare Perle sei. Wer das Himmelreich findet, will es nicht mehr missen, nicht mehr loswerden! Er gibt alles andere auf was er hat – nur um das Himmelreich, die ewige Seligkeit zu besitzen. Können wir uns vorstellen, wie kostbar dieses Himmelreich sein muss?

All das, was wir in den Ferien aufsuchen, was wir erleben, was uns gut tut und richtig wichtig ist – es ist doch kein Vergleich zum Himmelreich, der Wohnung des Dreifaltigen Gottes, die schon in uns angelegt ist! Die Ferien können daher auch eine Möglichkeit bieten, dieses Himmelreich (neu) zu suchen und zu finden, sich ihm zu stellen, damit der Himmel auch bei uns, in dir Wohnung nehmen und zu blühen beginnen kann. Denn das ist sicher und steht fest: all deine Suche nach der Erfüllung, nach Befriedigung deiner Sehnsüchte hat dann ein Ende! Du bist schon hier auf der Erde „heim zum Vater“ gekommen … und dein weiterer Lebensweg ist dann wirklich ein Weg heimwärts!

Dass dir das gelingen kann – so wie es mir gelungen ist –, wünscht ganz herzlich Diakon Andreas Häußler!

Herzensauge

„Nur mit dem Herzen sieht man gut“ ist ein bekanntes und altes Sprichwort, das auf vielen Karten und oft an wichtigen Momenten gesprochen wird. Aber was kann es bedeuten, mit dem Herzensauge zu sehen? Es ist ein Teekesselwort und beinhaltet mehrere Ebenen. Um etwas zu sehen, muss ich meinen Blick für die Situation oder den Menschen öffnen. Jeder hat seinen eigenen Blick und seine eigene Wahrnehmung. Mit unseren Augen können wir Unterschiedliches sehen, aber auch Dinge übersehen.

Das Herz hat sein Eigenes erfassen. Das Herz sieht in unser innerstes Wesen hinein. Es kann Dinge am anderen erkennen, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind. Oft sieht unser Auge einen Zustand und unser Herz spürt, dass da noch mehr ist. Das Herz erkennt mich in allen tieferen Ebenen meiner Person.

Auch Jesus vertraut dem Herzensauge von uns Menschen. Er traut uns zu, dass die österlichen und pfingstlichen Erfahrungen unser Herz öffnen und wir IHN bis in unser Innerstes aufnehmen können. Im Evangelium Mt 10,40 heißt es: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.“

Gott will sich uns ganz zuwenden und freut sich, wenn wir IHN in unser Herz einladen. Wenn wir IHN teilhaben lassen an unserem Leben, an unseren Gefühlen und Gedanken. Aus dem Ich wird ein Du und aus dem Augenblick eine Hoffnung. Aus dem Allein-sein wird Gemeinschaft, die trägt, die unser Wesen erkennt und die uns ein Miteinander schenkt. Wenn wir unseren Blick auf das Herz des anderen lenken, anstatt auf Das, was das Auge nur wahrnehmen kann, öffnen wir uns für unser Gegenüber und für Gott. Dies macht uns stark und kann durch den turbulenten Alltag tragen.

 

Mirjam Dorr, Gemeindereferentin SE Gerstetten-Steinheim

 

Eine Frage der Männlichkeit

Eine neue Studie von Plan Deutschland ist da. Nach ihr befürworten 1/3 aller jungen (zw. 18 und 35 Jahren) Männer gelegentliche Gewalt gegen Frauen. Fast 50% wollen das letzte Wort bei Entscheidungen haben. Sie wünschen sich eine Frau, die Ihnen „den Rücken freihält“, erwarten von den Partnerinnen Treue und Keuschheit, wollen aber selbst mit möglichst vielen Frauen schlafen. Und ja, es gibt Kritik an der Methodik. Dennoch: auch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen beklagt ein Stocken beim Abbau von Vorurteilen gegenüber Frauen. Alte Rollenbilder sind das eine (oftmals schlimm genug), Gewalt und Unterdrückung das andere. Gesetze müssen Frauen schützen und ihre Entfaltung ermöglichen, aber es braucht Väter, die ihre Söhne zu Gewaltlosigkeit und Respekt vor allen Menschen, eben auch Frauen erziehen, Männer, die in Schulen, in Verbänden, in Gemeinden etc. „ihren Mann stehen“ und genau für diese Rechte – manchmal auch gern betont „Männlich“ eintreten. Ohne Männer geht es nicht nur beim Kinderkriegen nicht, sondern auch bei den Rechten für Frauen, bei Gewalt gegen Frauen, bei rotzfrechen Jungs gegen Lehrerinnen, bei Frühehen, sexuellem Missbrauch und Unsichtbarmachung von Mädchen und Frauen.

„Soziale Normen, die die Rechte von Frauen einschränken, wirken sich negativ auf die Gesellschaft in Ganzen aus und hindern die Erweiterung der menschlichen Entwicklung,“ (Pedro Conceicao von der UN)

Was heißt es also, „Mann“ zu sein? Ich finde das eine wichtige Frage angesichts der großen und kleinen Paschas der Welt, die diese gerade an die Wand fahren. Das christliche Männerbild ist da erstaunlich klar, wo es von der freiheitlichen Botschaft Jesu abgeleitet ist. Gewaltlosigkeit ist unabdingbar, der Mann (und jede andere) muss seine Emotion im Griff haben. Die Würde jedes einzelnen Menschen, also auch der anderen Hälfte der Menschheit, der Frauen, ist unhintergehbar. Beide ergänzen sich gleichwertig. Jesus war kein Revolutionär, hat nicht zu den Waffen gegriffen, sondern an unser Herz appelliert: Hat nicht jeder und jede ein gutes Leben verdient? „Dient einander, wie ich Euch gedient habe!“ ohne das Gefühl für die eigene Stärke und Kraft zu verlieren. Beides geht, darin sind Jesus und viele Männer der Bibel Vorbild.

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin; Katholisches Dekanat Heidenheim

Sakrament der Liebe Gottes

Als ich mich auf der Liste der Schreibenden für das Hochfest Fronleichnam entdeckte, kamen Gedankensplitter, aber eine zündende Idee war nicht gleich dabei.

So erinnerte ich mich an theologische Vorlesungsinhalte aus der Studienzeit bis hin zur Diplomarbeit, in der ich über das Thema „Eucharistische Wandlung“ gearbeitet habe. Ihr letzter Satz benennt, dass die göttliche Dimension letztendlich für den Menschen ein „Geheimnis des Glaubens bleibt“. Mir kamen auch Bilder aus der Kindheit, in der unsere Mutter mit dem Fahrrad mit uns Kindern - bis wir dann mitgehen konnten, an einen der Altäre nahe des Flusses Ems fuhr. Bevor die feierliche Prozession sich näherte, hat sie mit uns die prächtigen Blumen und das besonders festlich gestaltete Altarbild betrachtet. Wir haben in dieser verdichteten Atmosphäre miteinander gebetet. Sogar die Internatskirche im Münsterland, mit den zahlreichen Eucharistischen Andachten, die ich dort erlebt habe, blitzte auf. Das ausgesetzte Allerheiligste auf dem Altar in der als Lebenssonne stilisierte Monstranz, der Duft von Weihrauch, die abgestimmten Liedtexte und die Dimension des Göttlichen in der Stille, die für mich innerlich so „fassbar“ wurde. Und während ich schreibe, kommt die „zündende Idee“, dass ich zu Fronleichnam „nur“ aus meiner katholischen Glaubensbiographie ein persönlich gehaltenes Bekenntnis weitergeben möchte: Ja, über alle die Erinnerungen verweist mich das Fest Fronleichnam auf Stärkendes in meinem Heute: Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir. Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier (GL 497). Darüber hinaus wird mir die Gewissheit verdichtet vor Augen geführt: Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ, wahrhaftig hier zugegen ist (GL 498). Es bleibt mir als Perspektive: Mit dem Empfang der Heiligen Kommunion - dem Sakrament der Liebe Gottes - überformt spürbar Göttliches Sein mein menschliches Dasein. Also: Wenn du, Mensch, es zulässt, musst du dein Dasein nicht ohne göttlichen Beistand leben!

 

Helmut G. Bertling

Kath. Schuldekan, Heidenheim

 

Dreifaltig – einer.

In einem Kirchenlied, das wir am Sonntag am Dreifaltigkeitsfeiertag singen , heißt es „Gott ist dreifaltig – einer“.

Wie kann denn einer gleichzeitig aus Drei bestehen?

Für uns Christen ist Gott schon immer in den 3 Personen für uns da: Vater – Sohn und Heiliger Geist. Und diese Drei sind für uns ein Gott. Gott lässt sich nicht auf eine Wesensart oder eine Eigenschaft festlegen, er entfaltet sich und faltet sich aus in die Geschichte und das Leben des Einzelnen hinein.

Gott Vater und Mutter, wir nennen ihn Schöpfer der Erde, Jesus Christus, der menschgewordenen Sohn Gottes und den Beistand, Trostspender und Ideenkreator, den er uns für unseren Glauben geschenkt hat: den Heiligen Geist. Gott entfaltet sich in diesen drei Personen und wir können ihn nicht festschreiben. Und da wird es für viele schwierig: eigentlich hätten wir Gott doch berechenbarer, klarer, einfacher, überschaubarer und eben nicht bunt und schillernd, kompliziert und manchmal unverständlich. Doch er entzieht sich allen Vorgaben, Vorstellungen, allen Bildern und Namen. Wenn wir Menschen so genau sagen könnten, wer oder was Gott ist, dann würden wir ihn kleinmachen, berechenbar und gut zu handhaben. Aber Gott ist die Vielfalt in den drei Personen, nicht festlegbar und immer für eine Überraschung gut.

So sollten wir dieses Rätsel der Dreifaltigkeit nicht mit unserem Verstand lösen, sondern hoffentlich die Einladung von ihm anzunehmen, sich immer wieder von ihm überraschen zu lassen. Und wenn wir unseren Glauben in der Nachfolge leben, könnte das auch für uns heißen: sich zu entfalten, in alle Richtungen, ins Leben hinein.

 

Marianne Banner

Gemeindereferentin der Seelsorgeeinheit Unteres Brenztal

Gelassen der Mensch…

„Gelassen der Mensch Der sich Brachzeit gönnt Weil er Teil der Schöpfung ist Und dem daraus neue Kraft zum Leben Erwächst“

… und noch einige Verse mehr, schreibt Pierre Stutz zu „Gelassenheit“.

Das muss ich doch gleich zweimal lesen. Me-Time, Auszeiten, sich mal was gönnen ist in aller Munde und wird viel diskutiert. Bewusst Auszeiten im Alltag nehmen, um zur Ruhe zu kommen ist nicht nur hilfreich, sondern oft einfach auch notwendig. Aber, Übungssache!

Aber ob ich allein von Auszeiten gelassener werde?

Grundsätzlich fühle mich im Tun und der Aktivität wohl. Doch merke ich immer wieder, dass eine abgearbeitete To-Do Liste mich nicht ruhiger oder gelassener macht. Egal ob bei der Arbeit, meiner Freizeit oder mit den alltäglichen Aufgaben, die so anfallen. Im Gegenteil, oft wächst die Liste und ich versuche so viel wie möglich auf einmal zu erledigen und finde dabei weitere Aufgaben, die vorher noch nicht da waren. Aber, manches lässt sich nicht noch g‘schwind erledigen und abhaken. Dann einfach gelassen sein und die Liste Liste sein lassen, ist gar nicht mal so einfach. Dann auch noch Brachzeit? Es nicht nur für den Moment gut sein lassen, sondern gar seliges Nichts-Tun? Darf man das überhaupt, wo doch Effektivität und Produktivität in vielen Lebensbereichen wichtig sind und im Vordergrund stehen? Viele haben das Gefühl sich für das „Nichts-Tun“ oder den nicht vorhandenen Freizeitstress rechtfertigen zu müssen. Manchmal braucht es dafür ein klein wenig Ermutigung. Der deutsche Musiker Axel Bosse motiviert mit seinem Lied Müßiggang nicht nur zu einer kleinen Auszeit, sondernsogar zum Genuss der Brachzeit:

Das Leben ist ein Buffet, Wenn ich im Müßiggang geh. Es tut sehr gut und nicht weh. Wenn ich im Müßiggang geh. Gegen das System, Für mein Immunsystem. Gegen ein kaputtes Leben, für ein langes Leben, für ein herrliches Leben.

Carolin Christmann, Dekanatsjugendreferentin im Katholische Jugendreferat Heidenheim

„Weil Gott nicht überall sein konnte, schuf er die Mütter“ (arabisches Sprichwort)

An diesem Sonntag feiern wir Muttertag. Der erste Muttertag wurde in Deutschland 1923, also vor 100 Jahren, gefeiert. Damals rührte zwar der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber kräftig die Werbetrommel, die Idee stammte aber nicht von ihnen. Die Mutter zu verehren ist eine uralte Tradition. Bereits in der Antike huldigten die Griechen bei ihren Frühlingsfesten beispielsweise Rhea, der Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit. Der Muttertag, wie er heute gefeiert wird, geht auf eine Amerikanerin zurück, die zum zweiten Todestag ihrer Mutter, einen Gedenkgottesdienst abhielt. Im Jahr darauf fand in dieser Kirche eine Andacht zu Ehren aller Mütter statt. Die Idee des Muttertages war geboren. Schnell eroberte diese die USA, und von dort aus die ganze Welt. Auch in der christlichen Tradition spielt die Mutter eine wichtige Rolle. So heißt es beispielsweise im vierten Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“. In der katholischen Kirche ist der Monat Mai einer ganz bestimmten Mutter gewidmet Nämlich Maria, die Mutter Jesu. Maria, die als Mutter viel durchleben musste. Bereits kurz nach der Geburt ihres Sohnes musste sie nach Ägypten fliehen, da König Herodes Jesus umbringen wollte. Mit 12 Jahren ist Jesus drei Tage lang verschwunden. Gefunden haben ihn seine Eltern im Tempel. Und letztendlich der Tod Jesu, der für Maria als Mutter mit Sicherheit der schlimmste Tag in ihrem Leben war. So wie ihr geht es auch vielen anderen Mütter, die um und für ihre Kinder kämpfen, und alles für diese tun würden, die für ihre Kinder da sind, auch wenn sie falsche Entscheidungen treffen. Der Muttertag bietet die Chance, Danke zu sagen: Danke an die eigene Mutter, oder die Mütter im eigenen Umfeld, die jeden Tag so viel geben.

Isabella Weber, Gemeindereferentin, Seelsorgeeinheit Härtsfeld

„Der Sonntag ist ein Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ (vgl. § 1 ArbZG)

Langes Wochenende

Mir gefällt die Konstellation des morgigen Sonntags und des Feiertags am kommenden Montag ganz gut. Und das nicht nur, weil uns dadurch nach 3 Jahren wieder einmal ein langes Wochenende rund um den Maifeiertag beschert wird.

Denn so werden, finde ich, die Bedeutungen der Wochentage auf symbolische Weise unterstrichen. Und wir können ins Nachdenken über den Sonntag und die „Tage der Arbeit“ kommen. Denn der „Tag der Arbeit“ als gesetzlicher Feiertag am 1. Mai ist dieses Jahr an einem Montag. Der Montag ist normalerweise der Beginn der Arbeitswoche. Diese ist eng mit dem Beruf, der Werktätigkeit, den Kolleg:innen und dem Arbeitsplatz verknüpft. Oder welche Gedanken kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie über (Ihre) Arbeit nachdenken?

Der Sonntag ist ein freier Tag, ein Tag der Ruhe, der Besinnung und Erholung, ein Tag des Gottesdienstes und des Gotteslobes. Und sicher haben auch Sie Ihre persönlichen Gedanken, was für Sie zum Sonntag dazu gehört. Wenn nun dieses Jahr der „Tag der Arbeit“ direkt auf den Sonntag folgt und die beiden Tage so vereint ein langes Wochenende bilden, sagt das ganz gut aus, dass beides, die Abfolge von Arbeit und Arbeitsruhe fest zu unserem Leben dazugehört.

Mit dem Sonntag verknüpfen wir gerne die Bibel mit ihren 66 bzw. 73 einzelnen Büchern. Zum Tag der Arbeit passt die dtv-Ausgabe der Arbeitszeitgesetze mit ihren darin 62 wiedergegebenen Einzelgesetzen ganz gut. Darunter ist auch das Arbeitszeitgesetz, das in seinem ersten Paragraphen den Zweck dieses Gesetzes so beschreibt: „Zweck des Gesetzes ist, … den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung der Arbeitnehmer zu schützen“. Die Bibel gibt in den 10 Geboten dem siebten Tag der Woche eine besondere Bedeutung: „Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott geweiht“ (Exodus/2.Mose 20,9). Interessant ist die Begründung zu diesem Gebot: Die Israeliten werden erinnert, dass sie einst Sklaven, unfreie Arbeiter waren. Arbeit soll aber in Würde unter Achtung der menschlichen Bedürfnisse stattfinden! Dafür setzten sich auch jene Arbeiter in den USA ein, die am 1. Mai 1886 in den Streik gingen und eine Begrenzung der täglichen Arbeitszeit forderten.

Arbeit gehört zum Leben. Zum Arbeitsleben gehören Zeiten der Ruhe, der Muße und Freizeit. Ohne die Arbeitswoche gäbe es kein Wochenende und ohne Sonntage gäbe es nur Werktage.

Ihnen wünsche ich ein schönes langes Wochenende!

Stefan Wietschorke, Gemeindereferent in der SE Heidenheim-Nord

Barmherzigkeit, was ist das?

Am zweiten Sonntag nach dem Fest der Auferstehung unseres HERRN feiert die Kirche den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit.

„An sich“, so der Hl. Thomas von Aquin, „ist die Barmherzigkeit die größte der Tugenden. Denn es gehört zum Erbarmen, dass es sich auf die anderen ergießt und der Schwäche der anderen aufhilft; und das gerade ist Sache des Höherstehenden. Deshalb wird das Erbarmen gerade Gott als Wesensmerkmal zuerkannt; darin wird seine Allmacht am meisten offenbar“.

Die Barmherzigkeit gilt also als Schlüssel des christlichen Lebens. Barmherzig sein muss geübt werden. Barmherzigkeit mag zwar eine Eigenschaft Gottes sein, ist uns als innewohnende Gottesliebe zu eigen. Doch Barmherzigkeit leben ist noch eine andere Sache. Bei der Barmherzigkeit geht es weniger um das Mit-Leiden oder Mit-Fühlen. Barmherzigkeit ist eine existenzielle Betroffenheit im Innersten und ein Tun, das mehr ist als bloßes Gefühl des Mitleidens. Barmherzigkeit ist tätige Nächstenliebe.

In seinem großen Mitgefühl, seiner großen Mitleidenschaft, (z.B. Gleichnis des barmherzigen Vaters), zeigt Gott, dass er barmherzig ist. Daraus erwächst für uns die Aufgabe, ebenso auf unsere Weise den Menschen nahe zu sein, unsere Mitleidenschaft zu leben.

Wie kann nun Barmherzigkeit gelebt werden? Die Tradition lehrt uns die tätigen Werke der Barmherzigkeit: Hungernde speisen, Dürstende zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke und Gefangenen besuchen, Tote begraben, die Werke der geistlichen Barmherzigkeit: Unwissende lehren, Zweifelnde beraten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen, Beleidigern verzeihen, Lästige ertragen, für Lebende und Verstorbene beten.

Ist das nicht die Antwort angesichts der Not und des Unfriedens der Menschheit? Wir sollten an der Barmherzigkeit Gottes nie verzweifeln. Gerade weil wir uns dem Auferstandenen mit ehrfürchtiger Liebe zuwenden, dürfen wir auch das unendliche Maß seiner Barmherzigkeit erfahren. Diese ist in der uralten Goldenen Regel zusammengefasst: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!

 

Vitus von Waldburg-Zeil, ltd. Pfarrer der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz, Herbrechtingen

Ostersegen

Gott schenke Dir zum Blühen seinen Segen

 

Vom Suchen zum Finden.
Vom Erstarren zum Aufbrechen.
Vom Weinen zum Lachen.
Das Leben blüht auf.

Nach der Angst der Mut.
Nach der Verzweiflung die Hoffnung.
Nach der Nacht der Tag.
Das Leben blüht auf.

Durch den Abstand zur Nähe.
Durch die Frage zur Antwort.
Durch die Trauer zur Freude.
Das Leben blüht auf.

Das ist Ostern -
immer wieder
im Kleinen,
im Großen.
Gott schenke dir zum Blühen seinen Segen.

„(…) Ich habe heute seinetwegen im Traum viel gelitten!“ (Mt 27, 19)

Träume lassen die Welt durchsichtig werden auf das immer Größere. Das Matthäusevangelium sieht in seiner Passionsgeschichte im Traum der Claudia, der Ehefrau des Pilatus, eine Chance, einem grausamen Tötungswillen zu widersprechen. Pilatus aber beugte sich diesem aus Angst, Macht zu verlieren.

Claudia Procula wird später die zunächst namenlose Frau des Pilatus genannt. Die katholische Schriftstellerin Gertrud von le Fort hat sich von dieser Überlieferung zu ihrer Novelle „Die Frau des Pilatus“ inspirieren lassen. Immer wieder hört Claudia in Träumen die Passage aus dem Credo zunächst anklagend, dann mehr und mehr hoffnungsvoll: „Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“. Pilatus wird vom ungerechten Richter zum Zeuge. Zurückgekehrt nach Rom schließt sie sich den Christen an und stirbt den Märtyrertod.  Zentrales Thema ist der erbarmungsvolle Blick Jesu, mit dem er die ihn Verurteilenden anschaut.

Es gibt diesen Satz von Dante: Wahre Liebe kann nicht unerwidert bleiben. Dem widersprechen die Novelle und ebenso der christliche Glaube. Wen der erbarmungsvolle Blick Christi selbst unter dem Kreuz trifft, „muss“ sich nicht öffnen, wird nicht automatisch „berührt“. Er oder sie steht aber in der Entscheidung! Eine tiefe achtsame Liebe kann auch gewaltigen (!) Widerspruch auslösen. Das „Gesehenwerden“ im liebevollen annehmenden Blick kann auch Abwehr und Flucht auslösen. „Was willst Du von mir?“ Das müssen wir aushalten. Die Antwort Jesu im erbarmenden Blick weist den Weg: Weg von Gewalt und Sühne, hin zu einem Erbarmen selbst in erlittener Gewalt. Diesemuss wiedergutgemacht werden, keine Frage. Erbarmen heißt nicht Vergessen! Der Glaube aber, dass letztlich – wenn auch nicht im Augenblick – die Liebe und das Erbarmen siegt, dass dies der einzige Weg zu Frieden, Verständnis und Entwicklung einer lebenswerten Welt ist, dass dies in und außerhalb eines jeden Menschen täglich neu hart erarbeitet werden muss, ist wesentlich in der Lebensschule Jesu.

 

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin Katholisches Dekanat Heidenheim

Engel finden sich kaum...

Es hat mich einfach angesprochen, das Angebot zu einer „Engelführung“ um 14 Uhr in St. Georg in Nördlingen vor ein paar Monaten. Nicht nur barocke Gotteshäuser sondern auch gotische Kirchen können nämlich von einer Vielzahl an himmlischen Wesen bevölkert sein. Meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Obwohl wir effektiv nur zwei dieser eingehend betrachteten. Aber so etwas hatte ich noch nie gesehen.

Engel finden sich auf dem Leidensweg Jesu kaum. Lediglich Lukas merkt an, dass ein solcher den Herrn in seiner Todesangst am Ölberg getröstet habe. Was man in der Bibel zwischen den Zeilen lesen muss, ergänzte vor über 500 Jahren ein unbekannter Meister: Über dem Hochaltar in Nördlingen befindet sich seine Kreuzigungsgruppe aus der Spätgotik, ergänzt von zwei kleinen Engelsdarstellungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Es sind nach außen gekehrte Seelenzustände, ähnlich der beiden Assistenzfiguren Maria und der Lieblingsjünger Johannes. Sie sind jeweils diagonal, buchstäblich „über Kreuz“ aufeinander bezogen. Links oben ein Ausdruck puren Schmerzes: Ein an Armen und Beinen „gefiederter Engel“, in höchster Qual verkrümmt und mit verzerrtem Gesicht, mit geknicktem Flügel abwärts trudelnd – geht’s noch schlimmer? Warum musste der Erlöser der Menschen so schimpflich enden? Auch der Lieblingsjünger kann sich kaum der Tränen erwehren.

Ganz anders Maria, die Mutter Jesu. Sie steht gewissermaßen schon im österlichen Licht. Ungläubiges Staunen strahlt aus ihrem Gesicht. Der dazu gehörende Engel rechts oben schwingt quasi schwerelos durch den Raum, ein Bild für die Seele Mariens, die sich aufmacht und singt. Alles Leid ist überwunden, der Marterpfahl des Kreuzes zum Sieges- und Segenszeichen gewandelt. Wer glaubt, sieht weiter, über den Tod hinaus.

Von „Zu Tode betrübt“ bis „Himmelhoch jauchzend“ ist da alles drin. Gott sind keine menschlichen Regungen fremd. Auch ich bin eingeladen mich darin zu verorten und vom leidenden Menschensohn den Weg zum Licht führen zu lassen.

Wie sehr das Bild des Gekreuzigten schon immer die Betrachtenden beeindruckte, ist an folgendem historischen Zitat von 1787 abzulesen: „Zöge mich nichts nach Nördlingen hin, so weiß ich doch: Diesem Crucifix allein zu Gefallen reiste ich noch einmal hin“ (Kirchenführer S. 8). Nicht nur seine leibliche Ausstrahlung, seine Zugewandtheit, man hört ihn beinahe reden – alles atmet neben höchster Kunstfertigkeit auch tiefe Frömmigkeit. So steht das Kreuz vor dem Himmelsblau für den „Himmelschlüssel – du schließest auf das Leben, das uns durch dich gegeben“ (vgl. GL 294).

Die Wüste aufsuchen

Vor 10 Jahren habe ich bei einem Urlaub am Roten Meer vier Tage mit Beduinen in der Wüste verbracht. Diese Wüstenlandschaft ist zunächst einfach ein wilder Ort oder ganz wilde und ursprüngliche Natur. Unter dem nächtlichen Sternenhimmel fühlte ich mich dann selber ganz Eins mit mir, reduziert auf das Wesentliche und mit allem verbunden. Ich glaube jeder Mensch trägt so eine Wüste in seinem Herzen. Dort sind wir in Verbindung mit dem lebendigen Göttlichen. Es ist der Ort, an dem ein Feuer brennt, das niemals erlischt und wo uns Gott begegnen will - wie er Mose im brennenden Dornbusch begegnete. Auch Jesus ging in die Wüste, bevor er zu den Menschen von Gott als himmlischem Vater sprach und Kranke heilte. Er musste sich über seinen Auftrag und seine Sache klar werden. In dieser Tradition gehen auch viele in den Wochen vor Ostern in ihre innere Wüste, um diesen wilden und ursprünglichen Ort zu erkunden und dort wieder heimisch zu werden und die Stimme Gottes zu hören. Wir suchen nach den Quellen des inneren Friedens und Lebendig seins. In die innere Wüste gehen, das bedeutet sich zu fragen: Wonach hungere ich und welches ist das „Brot des Lebens“, das meinen Lebenshunger wahrhaft stillen kann? In der Einsamkeit der eigenen Wüste fragen wir uns auch nach unserer ureigenen Gabe, die jede und jeder von uns in sich trägt und der Welt schenken kann. Denn unsere Welt braucht Gottsucher*innen, die auch in den äußeren Wüsten das Göttliche finden wollen. Aktivist*innen der Caritas International oder des Roten Halbmonds in den Erdbeben und Kriegsgebieten, genauso wie Lebensretter*innen in unseren Kranken- und Pflegestationen oder Blaulicht-Retter*innen auf unseren Straßen. Gute Menschen, die durch ihr Gabe und Mission die Idee vom Reich Gottes jetzt und hier spürbar lassen wollen.

Gabriele Holland-Junge

Caritas im Lebensraum

Gemeinschaft schlägt Technik

Beim Treffen der Firmbewerbenden wurde das Evangelium vom blind Geborenen folgendermaßen zusammengefasst: Jeder, der sich einbildet, er sieht und weiß den richtigen Weg, der ist auf dem falschen Weg und jeder, der meint er ist blind und auf dem falschen Weg, der ist eigentlich schon auf dem richtigen Weg. Das Evangelium nimmt ganz besonders die Pharisäer in den Blick. Sie berufen sich auf Mose und auf die Tradition. Sie nehmen in Anspruch, richtig und falsch zu kennen. Dabei stehen ihre eigenen Interessen im Vordergrund.  Mir kommt dies in unsere gegenwärtige Klimakrise bekannt vor. Hier gibt es auch Akteure, die ganz genau wissen, wie wir mit dieser Krise umgehen sollen. Und wenn man genau hinschaut, dann geht es nur um den eigenen Gewinn und den eigenen Einfluss. Genau hier setzt Jesus an. Ihm geht es nur um das Wohl des Blinden. Er wird zum Symbol, dass Gott die Besserwisser alt aussehen lässt. Jesus bringt es immer wieder auf den Punkt: Nicht euer Wissen, besonders das Besserwissen, wird die Welt retten. Unsere Herausforderungen können wir nur im Miteinander lösen. In dieser Gemeinschaft zu den Mitmenschen und zu Gott werden wir unsere Herausforderungen bewältigen. Ein Beispiel zum Klimawandel: Sie brauchen 50 Ingenieure, die einen Motor 2% effizienter machen. Sie brauchen aber nur zwei Menschen, die den Motor 50% effizienter machen- indem sie zusammen im Auto sitzen. Natürlich fallen uns ganz viele Gründe ein, warum das gerade jetzt nicht so einfach ist, aber eigentlich sehen wir den richtigen Weg und sind doch blind dafür. Jesus macht uns immer wieder Mut, unsere Augen aufzumachen und das Richtige zu tun. Schauen wir in die wunderschöne Welt und werden von Blinden zu Sehenden.

Robert Werner, kath. Jugendreferent, Giengen

Dem Leben entgegengehend

Mit dem Aschermittwoch begann nach den närrischen Tagen die sogenannte Fastenzeit. Nicht nur für Außenstehende sind die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern oft eine unverständliche Zeit – eine Zeit, die wie aus der Zeit gefallen scheint. Oft wird die Fastenzeit auch ausschließlich nur als Zeit der Entbehrung und Zeit des Verzichtes gedeutet und gesehen.

Doch dies wird der Fastenzeit nicht gerecht. Fastenzeit bedeutet mehr als nur zu entbehren und zu verzichten. Die römisch-katholische Kirche bezeichnet die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern auch als österliche Bußzeit. Diese Bezeichnung hat das (schlussendliche) Ziel vor Augen. Die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern sind ein Zugehen auf den (ewigen) Ostermorgen hin. Zugespitzter formuliert: Dem Leben entgegengehend.

In diesen Tagen der österlichen Bußzeit besinnen sich die Christinnen und Christen in besonderer Weise auf das Erbarmen und die Liebe Gottes. Seine unendliche und unbegreifbare Liebe zu uns wird durch das Leben und Wirken seines Sohnes Jesus Christus, das seinen Höhepunkt am Kreuz findet, sichtbar. Im und durch das Kreuz liegt und ist die begründete Hoffnung und Vorfreude für alle Christinnen und Christen. Die(se) unendliche und unbegreifbare Liebe Gottes befreit uns – sie ist das Evangelium, die erlösende Frohbotschaft, die Botschaft vom Leben.

Daher sollte die österliche Bußzeit auf keinen Fall eine von Regeln erfüllte Zeit sein, eine ausschließliche Zeit der Entbehrung und des Verzichtes, sondern sie sollte eine regelrecht vom Leben erfüllte Zeit sein. Die österliche Bußzeit dient dem Leben, dem Leben der ganzen Schöpfung, um als geliebte Kinder Gottes, die sich auf dem Weg zum ewigen Ostermorgen befinden, heute schon österlich leben zu können. Alles hierzu Dienliche hat hier seinen Platz. Die Entbehrung und der Verzicht in diesen Tagen können hier eine Hilfestellung bieten.

Wir sind eingeladen durch unser(en) Leben(sstil) dem Leben entgegengehend zu begegnen – tagtäglich. Allen Leserinnen und Leser eine gotterfüllte und segensreiche österliche Bußzeit 2023. Gott möge uns in diesen Tagen seinen Frieden schenken.

 

Ivan Totić, Vikar in der Seelsorgeeinheit Heidenheim

Feiern und Fasten

Fasnet, Fasching, Karneval – die närrische Zeit steuert auf ihren diesjährigen Höhepunkt zu. Als gebürtiger Oberschwabe ist mir ein positiver Bezug zu dieser Zeit praktisch in die Wiege gelegt. Es tut gut, einmal im Jahr mit anderen ausgelassen zu feiern und verkleidet einen anderen Blick auf sich und andere zu genießen.

Genauso prägend ist für mich auch der Übergang zur Fastenzeit. Das eine gehört zum anderen. Feiern und Fasten, ausgelassene Lebensfreude und besinnliches Nachdenken, verschwenderisches Leben und Konzentration auf das Wesentliche, das sind zwei Seiten einer Medaille.

Alles hat seine Zeit.

Insofern ist es für mich gut und richtig, auch dann Fasching zu feiern, wenn es an vielen Orten unserer Welt gerade unsägliches Leid und Krieg gibt. Wir Menschen brauchen Zeiten, in denen wir Abstand gewinnen zu dem, was unser Leben beschwert. Fasching ist eine Einladung dazu.

Und dann mich auf die Fastenzeit einlassen. Meine Augen und mein Herz öffnen, für Nöte und Sorgen und Herausforderungen, die mir begegnen. Mir selbst die Frage zu stellen, was es braucht, damit ich und andere auf dieser Welt gut leben können.

Also lassen Sie es krachen, genießen Sie die kommenden Tage. Und nehmen Sie sich in der Fastenzeit Zeit für die Frage, was Ihr persönlicher Beitrag dafür sein könnte, damit das Leben auf dieser Erde ein wenig mehr glücken kann.

Eine glückselige Fasnet und eine besinnliche Fastenzeit.

 

Uli Redelstein, Katholischer Krankenhausseelsorger

 

Menschen begleiten

„Ich möchte, dass jemand mit mir geht,
die’s Leben kennt, der mich versteht.“    frei nach einem Lied von Text:  Hanns Köbler (1964)

Oft begleiten gute Erinnerungen und bedeutsame Orte, vertraute Tiere, strukturierende Trainingspläne, motivierende Schrittzähler und liebgewordene Traditionen uns Menschen durch den Alltag.

Sind Sie bewusst in Begleitung durch einen Menschen oder begleiten Sie andere Menschen? Gute Begleitung unterstützt Einzelne, Paare oder Gruppen für einen Lebensabschnitt. Merkmale einer solchen Begleitung sind für mich:

  • Die zu Begleitenden geben Ziel und Richtung vor. Sie bestimmen die Themen und Fragen für einen gemeinsamen Wegabschnitt. Es geht um eine Neuorientierung des eigenen inneren Kompasses. Was ist mir wichtig? Wie kann ich als junger Mensch mein Leben selbstbestimmt und verantwortet gestalten? Wie mir für meine Rente neue Perspektiven eröffnen? Können wir uns als Paar neu zärtlich in Blick nehmen?
  • Gute BegleiterInnen unterstützen, geben Impulse, stellen klärende Fragen und geben Antworten, wo sie gefragt sind. Sie bringen ihre Lebenserfahrung und ihr Fachwissen ein. Im ehrlichen Dialog reifen Entscheidungen und eröffnen sich neue Lebensmöglichkeiten. Solche Begleitung versprüht den Duft von Freiheit und Offenheit.

In der christlichen Tradition gibt es schon lange die geistliche Begleitung: Hier betrachten zwei Menschen, Begleiter und zu Begleitende einen Lebensabschnitt aus der Perspektive des Evangeliums. Dabei bestimmt und verantwortet die Person, die begleitet werden will, das Ziel mit allen Hoffnungen und Zweifeln, die ihr Leben prägen. Der oder die Begleitende hilft, gewonnene Einsichten ins konkrete Leben umzusetzen. Beide begegnen sich im Vertrauen, dass Gottes Geistkraft, die das Leben kennt und uns versteht mit unterwegs ist.
Ich wünsche Ihnen einen Menschen, der mit Ihnen geht, der’s Leben kennt und Sie versteht!

Elisabeth Redelstein
Familienpastoral

Weihnachtliches Licht – in schwerer Zeit

Am 6. Januar begeht die orthodoxe Christenheit das Weihnachtsfest, sowohl in festlichen Gottesdiensten als auch zuhause in den Familien. Denn die alten Kirchenväter sagen zu Recht: Hier ist der Herr des Himmels und der Erde der Menschheit erschienen, verkörpert durch die Sterndeuter aus dem Osten, die heiligen Dreikönige.

Und so werden gestern viele in Charkiv und Novosibirsk, in Kiew und in Moskau dabei gewesen sein bei der in der „göttlichen Liturgie“ wie sie ihren Gottesdienst nennen. (freilich wird man sich in Erinnerung rufen, dass 72 Jahre sowjetisch-atheistische Arbeit auch ihre Spuren in den Köpfen und Seelen der Menschen hinterlassen haben.) Fest der Erscheinung des Herrn – Weihnachten: In Hymnen und Gesängen bedenkt die Kirche der orthodoxen Christenheit das unfassbare Geheimnis, das Gottes Liebe sich zu uns Menschen herabgelassen hat.

                „Christ wird geboren!
                Jauchzt und singt!
                Vom Himmel kommt Er,
                lauft Ihm entgegen.
                Auf Erden erscheint Er,
                erhebet euch!
                Singt alle Lande dem Herrn!
                Ihr Menschen aber seid fröhlich,
                denn herrlich tat Er sich kund.“

Die Botschaft ist tröstlich, aufbauend. Sie bringt Licht und Hoffnung ins Leben. Freilich, dahinein grätscht der Krieg. Soldatenmütter in Russland ist es wenig bis gar nicht nach Singen und fröhlich sein. Sie ahnen, dass ihr Sohn bei der „Spezialoperation“ gefallen ist. Den Soldatenmüttern der Herbstoffensive geht es ähnlich.

Und in der Ukraine weinen Ehefrauen und Kinder, weil der Gatte und Vater bei der Invasion das Leben verloren hat.

Zwischen allen Stühlen befindet sich die ukrainische Kirche des Moskauer Patriarchen, die sich vom Patriarchen von Moskau losgesagt hat.

Spötter und Zyniker werden sagen: Opium für das Volk. Glaubende werden mitten im Schmerz und der Zerrissenheit sagen:

Ja, ich laufe dem Herrn entgegen. Er trägt nicht die Schuld für all die Not. Im Gegenteil: Er lässt sich mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele ein, in diese Menschenwelt. Herodes wird ihm nach dem Leben trachten. Gesetzestreue werden ihn ans Kreuz bringen. Es liegt trotz allem Hoffnung in der Luft: Unglaublich ist die Liebe Gottes zu den Menschen.

 

 

                „Viele erwarten einen Übermenschen.
                Gott gibt uns ein kleines Kind.
                Viele erwarten einen Herrscher,
                Gott kommt zu uns als Bruder.
                Viele erwarten einen, der dreinschlägt,
                Gott gibt uns einen Verfolgten.
                Wir sind die Beute des Hasses,
                und siehe: Es kommt die Liebe.
                Wir sind in den Krallen der Traurigkeit,
                und siehe: Es kommt die Freude.
                Wir sind im Dunkel der Nacht,
                und siehe: Es kommt das Licht.
                Wer stolz zu ihm geht,
                den lehrt das Kind, sich zu verbeugen.
                Wer vertrauend zu Ihm geht,
                wird zum Beschenkten und Beglückten.“

 

Es steht mir nicht zu, ein Urteil zu fällen, sehr wohl aber kann ich dem Herrn,
der sich mit dieser Erde verbunden hat und uns erschienen ist, mein Vertrauen schenken.

Pfarrer Rolf Oster

 

 

 

Von guten Mächten...

Am Ende dieses Jahres blicken die Menschen überwiegend pessimistisch in die Zukunft, wie vor wenigen Tagen in der Zeitung zu lesen war. Da sind die bekannten Worte Dietrich Bonhoeffers eine Herausforderung und Ermutigung zugleich. Für viele gehören sie zum Jahreswechsel, gesprochen oder gesungen.

"Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Dies ist die abschließende Strophe des letzten Gedichts des evangelischen Theologen. Er hat es als persönlichen Weihnachtsgruß 1944 an seine Braut verfasst. Entstanden sind die Zeilen im Kellergefängnis in Berlin in aussichtloser Lage. Monatelang war der evangelische Theologe bereits in Haft, weil er sich aktiv am Widerstand gegen Hitler beteiligt hatte.

Diese siebte Strophe ist die Summe des ganzen Gedichts und ein beeindruckendes Bekenntnis des Glaubens und der Zuversicht. Denn es wird eben gerade keine Sehnsucht ausgedrückt, sondern Gewissheit: Gott geht den Weg mit, gibt Geborgenheit und Gelassenheit. – Eine bewundernswerte und vorbildhafte Haltung.

Später in den 1950er-Jahren sprach im Osten Berlins bei den wöchentlichen Treffen der Jungen Gemeinden am Ende immer ein Mädchen oder Junge diese Gedichtstrophe. In schwierigen Zeiten der Diskriminierung und Gängelung der Gläubigen diente sie der Vergewisserung des Glaubens an Gott, der bei den Menschen ist und sie begleitet.

So dürfen auch wir diese Worte in unsicheren Zeiten sprechen oder singen – nicht nur am Jahresende, sondern jeden Tag!

"Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Ilse Ortlieb, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Heidenheim-Nord

„Träumst Du noch – oder resignierst Du schon?

Mit dem  Propheten Jesaja und Johannes dem Täufer begegnen uns Menschen, die von einer Zeitenwende künden, ja selbst sogar daran ein Stück mitbauen. Ein Stück weit scheinen sie wie Träumer, die mich anfragen: „Träumst Du noch – oder resignierst Du schon?“ Wie steht es mit Deiner Hoffnung und Zuversicht mit Blick auf die Ankunft des Herrn? Oder erliege ich den Traumfänger dieser Tage, das unzählige Leid des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Ein Krieg, der neu unser christliches Menschenbild und unserer Solidarität, unser Mitfühlen und Handeln gesellschaftlich wie auch persönlich herausfordert. Mit Blick auf den Synodalen Weg liegt auch innerkirchlich ein bewegtes Jahr hinter uns. Unvergessen bleiben die Bilder und Statements der Versammlung, als das erste Grundlagenpapier an der nicht erreichten Mehrheit der Bischöfe scheiterte. Die immer länger werdende Schlange vor unserem ZuSaM-Laden hier in Giengen, eine zunehmende Zukunfts- und Lebensangst, die sich wie die Kälte langsam an den Beinen hochzieht und es eine Weile im Warmen braucht, bis diese wieder weg ist. Der Adventskranz mit seinen nun vier leuchtenden Kerzen scheint in diese Frage mit hinein. Und ja, ich bin da gerne ein Träumer, weil ich daran glaube, dass jede und jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass wir als Christinnen und Christen in unseren Alltag, aber auch in unsere Gesellschaft als „Hoffnungsträger und Träumer im positiven Sinne“ hineinwirken und dazu ermutigen wollen, hoffnungsvoll in eine gemeinsame Zukunft zu blicken. Also: „Träumst du noch – oder resignierst du schon?“

Mathias Michaelis, Pfarrer, Giengen

das eine verbindende Licht

Freitag abend, eine Stunde vor Ladenschluss: ich gehe noch schnell zur Buchhandlung um für einen Besuch Adventskalender zu holen. Noch ein bisschen Zeit bleibt zum Stöbern, das kann ich an einem solchen Ort einfach nicht lassen. Da fällt mein Blick auf ein schwarzes Buch, der Titel mit goldener Schrift: Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen – Fragen nach Gott. Von dem islamischen Schriftsteller und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Navid Kermani. Ich blättere darin und es packt mich sofort. Kein Buch der schnellen Antworten, keine Phrasen oder abgedroschenen Ratschläge. Ein Buch, das unsere Welt mit den unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen gemeinsam mit der Naturwissenschaft in den Blick nimmt und dabei das Wesentliche sucht: das alles verbindende Licht in dem der Friede und die Liebe wohnen. Das sind meine stümperhaften Worte für das eigentlich Unaussprechliche, dem wir uns mit Worten nur annähern können. Das Unaussprechliche, DAS/DER/DIE uns begegnen will in allen Dingen (Ignatius von Loyola): im Kleinen, Unscheinbaren ebenso wie in den endlosen Galaxien des Weltalls. Mögen wir uns dafür öffnen? Gerade jetzt im Advent? Und falls Sie zufällig am Sonntag noch nichts vorhaben: um 17.00 Uhr in den Lichtblicken in der katholischen Kirche Herbrechtingen suchen wir gemeinsam danach und wer weiß… vielleicht werden wir gefunden… oder auch wo ganz anders… Der Überraschungshorizont des Unaussprechlichen ist groß.

Einen lichtvollen inspirierenden Advent für Sie!

 

Beate Limberger, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz

 

Wer ist Dein König?

Der letzte Sonntag vor dem Ersten Advent wird in der katholischen Kirche traditionell als Christkönigssonntag gefeiert. Papst Pius XI. (1857-1939) führte das Christkönigsfest 1925 ein und wollte vor dem Hintergrund der Ausbreitung der religionsfeindlichen sowie inhumanen Ideologien des Kommunismus und des Nationalsozialismus auf einen König hinweisen, „dessen Reich kein Ende haben wird“ (vgl. Psalm 22, 28 und Lukas 1, 30-33): ein Königtum, das sich allein auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden gründet und damit im absoluten Gegensatz zu jenen beiden teils bereits existierenden, teils aufkommenden Diktaturen stand. Der Christkönigssonntag war also ein Bekenntnistag an Jesus Christus.

Im nationalsozialistischen Deutschland zogen am Christkönigssonntag katholische Jugendverbände mit Bannern und Fahnen durch die Straßen. Damit bekannten sie, dass sie Gott mehr gehorchen wollten als den Menschen. Einerseits erschreckend, andererseits aber wenig überraschend, dass es Nachbarn gab, die die Namen der jungen Christen notierten und sie anzeigten.

Das von Papst Pius XI. eingeführte Fest sollte den Christinnen und Christen Klarheit geben und Mut machen, trotz aller politischer Veränderungen und antikirchlicher Repressalien sich nicht von Ideologien verführen zu lassen und weiterhin treu zu Glaube und Kirche zu stehen, gemäß dem Wort Jesu: „Gebt acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! Und: Die Zeit ist da. - Lauft ihnen nicht nach!“ (vgl. Lukas, 21, 8).

Geschichte wiederholt sich. Unsere Gesellschaft ist in verschiedene Lager tief gespalten. Unheilspropheten stiften Verwirrung und schüren Angst und Wut, politische Korrektheit gibt den Ton an und die Meinung vor, das Zeitalter von Social Media bringt überdurchschnittlich viele Narzissten hervor. Und selbst innerhalb der katholischen Kirche tobt ein Bürgerkrieg. Man muss kein Insider sein, um die Zerrissenheit der katholischen Kirche in Deutschland festzustellen.

Da kommt das Christkönigsfest genau richtig: ob 1925 oder 2022 - damals wie heute stellt das Fest die Frage: Hörst du auf den Zeitgeist oder hörst du auf den Heiligen Geist?

Ich weiß nicht mehr, wo ich darüber gelesen habe, aber folgende Begebenheit ist mir zu Ohren gekommen: Ein junges Mädchen, das kurz vor ihrem Abitur stand, wollte sich taufen und firmen lassen. Nach dem Gottesdienst wurde sie gefragt: „Und? Was ist besser? Ein Joint oder die Taufe?“ Schlagfertig antwortete sie: „Die Taufe wirkt länger!“

 

Pfarrer Tuan Anh Le, Heidenheim

was uns zusammenhält

Das Motto der aktuellen ARD-Themenwoche geht uns alle an: „Wir gesucht – was hält uns zusammen?“ Diese Frage nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft in so unsicheren Zeiten wie heute erinnerte mich spontan an eine Veranstaltung vor ziemlich genau drei Jahren: Am 20. November 2019 lud Landtagspräsidentin Mutherem Aras aus Stuttgart alle Interessierten im Rahmen einer Gesprächsreihe „WERTSACHEN – Was uns zusammenhält“ in die Hammerschmiede nach Königsbronn ein. Damals ging es um das Grundrecht auf Widerstand. Und zwar gegen Versuche, die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands umzustürzen. Im Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz heißt es: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Ganz bewusst wurde am einstigen Wohnort des Hitler-Attentäters Georg Elser darüber nachgedacht, wie wertvoll die von der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit ist. Unter Wertsachen, auf die es sich besonders acht zu geben lohnt, kann man außer materiellen Gegenstände wie Geld und Schmuck auch ideelle Werte verstehen, wie das Recht auf Religionsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung, Versammlungsfreiheit und Respekt vor der Freiheit des anderen. Diese und andere Grundwerte zu leben und sie allen zuzugestehen, hält eine Gesellschaft zusammen und fördert ein Wir-Gefühl, das heute noch viel wichtiger erscheint, als vor drei Jahren. Dabei ist Zusammenhalt nicht mit Homogenität zu verwechseln. Im Gegenteil: Wer Gleichförmigkeit durchzusetzen versucht, grenzt aus, diskriminiert, wertet ab und zerstört den Zusammenhalt. In unserer bunten, pluralen Welt spiegelt sich die Vielfalt einzelner Lebensentwürfe als ein großer Reichtum – aus christlicher Glaubensperspektive ein Hinweis auf die unendliche Güte Gottes, des Schöpfers der Welt. Auch die beiden bekanntesten Novemberheiligen, Martin von Tours (11. November) und Elisabeth von Thüringen (19. November), sind für mich starke Wegweiser für mehr Miteinander statt Gegeneinander. Sie haben zu ihrer Zeit Solidarität bewiesen. Sie haben den bleibenden Wert und die Würde der bedürftigen Menschen neben ihnen wahrgenommen und setzten sich über alle Standes- und Konventionsgrenzen hinweg für sie ein. „Gemeinsam statt einsam“ – nur so können wir uns mehr und mehr erfolgreich den Fragen und Herausforderungen der Zukunft stellen.

Pfarrer Dietmar Krieg, Schnaitheim

Allerheiligen – Allerseelen

„Leben unsere Verstorbenen tatsächlich weiter?“ - eine wichtige Frage. Denn die Antwort wirft ein Licht auf das Hier und Jetzt und prägt unser Verständnis vom „richtigen“ Leben auch schon vor dem Tod. Jesus positioniert sich da eindeutig. Er spricht von „Kindern der Auferstehung“, Engeln gleich, die frei sind von menschengemachten Zwängen und Fesseln, die leider oft genug mit Gott legitimiert werden.

Uns fällt es schwer, eine Wirklichkeit anzunehmen, die über unsere menschliche Begrenzung von Zeit und Raum hinausgeht. Aber wenn wir nachdenken, wissen wir, dass unsere Sicht begrenzt ist, dass es immer ein „Mehr“, ein „Darüberhinaus“ gibt: Wir hören nur einige Schallwellen, wir sehen nur einen Ausschnitt der Lichtwellen als Farben. Zeit wird je nach Geschwindigkeit unterschiedlich gemessen. Wir denken und empfinden in Raum und Zeit - unsere Wirklichkeitswahrnehmung ist ganz wirklich sehr begrenzt. Dass die wahre Wirklichkeit viel größer ist, können wir uns nur schwer vorstellen, aber mathematisch und physikalisch berechnen. Bei Gott gibt es keine Zeit, wie wir sie empfinden. Einen Tod in unserem Sinne, gibt es aus göttlicher Sicht nicht. Es ist wie mit der alten Geschichte von Raupe und Schmetterling und wird eindrucksvoll vom Lichtkreuz, momentan ausgestellt in der heidenheimer Dreifaltigkeitskirche, zum Ausdruck gebracht.

Prof. Greshake aus Freiburg schrieb einmal „Im Tod stehen wir alle zur gleichen Zeit vor Gott“ – ganz gleich, wann wir in dieser Welt gestorben sind. Jesus greift dieser Erkenntnis praktisch einige Jahrtausende vor: bei Gott gibt es nur Leben –auf eine Weise, die für uns schwer vorstellbar ist.

Das wir von einer größeren Wirklichkeit umgeben sind, können wir erkennen. Der Schritt also über die, für uns nur einseitig sichtbare Schwelle „Tod“ ist nicht so groß oder weithergeholt. Das passt in diese Zeit, in der wir Allerheiligen und Allerseelen feiern, Totengedenktage. Unsere Verstorbenen sind Lebende und Befreite, auch wenn wir dies in unserer Begrenztheit (noch) nicht erkennen: Zwei wichtige christliche Hoffnungsperspektiven in dieser auch ansonsten schwierigen Zeit.

Gabriele Kraatz , Dekanatsreferentin Heidenheim

Kleidung für die Seele

„Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur unpassende Kleidung“. Ein Spruch, der jetzt im Herbst wieder häufiger zu hören ist.

Im Leben  gibt´s auch Unwetter: Stürme, wenn so viel los ist, dass wir weder Gedanken noch Gefühle recht  sortieren können. Oder wenn der Boden unter den Füßen ins Wanken gerät, weil wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. Wenn viel Gegenwind kommt. Manchmal sind wir auch herbstlich traurig oder aus den Augenwinkeln suchen sich Tränen den Weg, wie kleine Regentropfen.

Was könnte denn bei dem Seelen-Wetter die richtige Kleidung sein? Das folgende Gedankenspiel kann man auch wie Wünsche lesen und lässt Platz, mit eigenen Gedanken gefüllt zu werden: Jesaja schreibt: „Meine Seele jubelt über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils,  er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit.“ (Jes 61,10). Eine Jacke der Zuversicht und der Hoffnung, die uns weitergehen lässt, auch wenn es stürmt. Einen wärmenden Schal, der Geborgenheit schenkt und an Liebe erinnert, wenn Kälte entgegenschlägt. Manchmal ist ein dickes Fell hilfreich, dass wir genug Abstand haben, wenn uns jemand ärgern möchte. Ein festes Schuhwerk, das Standhaftigkeit gibt. Eine Kopfbedeckung schadet auch nicht: Dass wir dazu stehen können, wenn wir etwas nicht gut gemacht haben, es „auf unsere Kappe nehmen“ und einen ersten  Schritt zur Versöhnung machen. Einen Regenschirm als Zeichen dafür, dass wir gut behütet sind und im Glauben an Gott Lebenssinn finden können. Und ab und zu können wir auch eine rosarote Brille aufsetzen, die uns für den Moment glücklich und unbeschwert weitergehen lässt.  

Paulus gibt uns mit auf den Weg: „Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei“ (1 Kor 13,13). Wenn wir uns mit Hoffnung, Liebe und Glauben kleiden, dann sind wir für alle Wetter gut gerüstet.

Lydia Hageloch, Klinikseelsorgerin in Heidenheim und Religionslehrerin am Hellenstein-Gymnasium

Dankbar sein - für was eigentlich?

Vor einiger Zeit schrieb ein Priester auf seine Einladungskarte zu seiner Primiz, dem ersten Gottesdienst eines Neugeweihten, nur ein einziges Wort aufAltgriechisch: „εὐχαριστέω“– „Dank sagen“.  Sein Bedürfnis nach der empfangenen Priesterweihe war es, zuallererst Danke zu sagen. Es ist ein kurzes Wort, aber für ihn offenbar zugleich von großer Bedeutung.

Ich persönlich habe als kleines Kind gelernt, wie wichtig dieses Wort in der zwischenmenschlichen Kommunikation sein kann. Leider muss ich inzwischen zu meinem Bedauern feststellen, dass das Wort „Danke“ aus unserem Vokabular immer mehr verschwindet. Wir nehmen so viele Dinge als selbstverständlich an. Wir wollen immer mehr und immer weiter, und vergessen dabei, was wir alles schon haben. Dafür dürfen wir doch dankbar sein. Jeden Tag.

Vielleicht denken Sie: Kenn ich. Mach ich. Ich sag ja schließlich immer freundlich „Danke“ zur Kassiererin im Supermarkt, oder dem Becker oder dem Metzger, oder wenn mir jemand etwas schenkt ...Hierbei entsteht aber auch die Gefahr, dass ein gesprochener Dank zu einer reinen Höflichkeitsgeste wird. Dankbarkeit kann aber zu einer Lebenshaltung und Lebenseinstellung werden.

Ich möchte Sie hiermit dazu einladen, sich für ein paar Minuten Zeit zu nehmen und zu überlegen, wofür Sie in Ihrem Alltag dankbar sein können:

Ich bin dankbar…für…Ich bin dankbar für alles, was ich habe… Ich bin dankbar für meine Gesundheit… Ich bin dankbar für meinen Körper… Ich bin dankbar für die Menschen, die mich umgeben… Ich bin dankbar für alle Lebewesen… Ich bin dankbar für die Erde, auf der ich lebe… Ich bin dankbar für mein Zuhause… Ich bin dankbar für mein Essen…Ich bin dankbar für meine Freiheit… Ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die ich habe… Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich machen darf… Ich bin dankbar für den Weg, den ich gehe… Ich bin dankbar für mein Leben… Ich bin dankbar für mich…

Vergessen wir also gemeinsam nicht, „dieses kurz geschriebene“ Wort „DANKE“ in unseren  Alltag mit zu integrieren!

Pace e bene

don Alin Kausch, Leitender Pfarrer der SE Gerstetten-Steinheim

Soul-Building

In Heidenheim werden sich manche an den 2015 verstorbenen Pfarrer Dr. Christoph Keller erinnern. Er war von 1984 bis 1991 Pfarrer in St. Maria. Ich durfte ihn, seine hervorragenden Predigten und seine spitze Feder als Vikar in St. Elisabeth in Stuttgart kennenlernen. In seinem Buch „Sondermüllentsorgung“ macht er sich Gedanken zum „Soul-Building“:

Body-Building ist in. Und Soul-Building? …Viele Menschen haben seelische Hühnerbrüste, Bierbäuche und Muskelatrophien, weil sie für den Seelenbau nichts tun. Um die Kirche machen sie einen Bogen wie andere um Body-Building-Centers. Reingehen könnte in Schlauch ausarten! Folglich tun sie so, als ob das Innenleben von alleine fit bliebe.

Irrtum - aber nicht zu Ihren Gunsten, wie bei „Monopoly“, und schon gar nicht mit einer Dividende belohnt. Überzeugungen und Verhaltensweisen müssen nämlich gepflegt werden, sonst lockern sie sich wie Schrauben oder erschlaffen wie Muskeln. Täglich ein Wort aus der Heiligen Schrift täte der Seele genauso gut wie ein paar Liegestützen dem Körper. Und tausend Ausreden hat man am Sonntag, um den Kirchgang zu streichen. Keine einzige ist stichhaltig für den, der für seine Seele etwas tun will, und jede scheint glasklar für den, der das nicht will.

Unbestreitbar baut sich Glaubensleben ab, wenn keine Substanzanreicherung mehr erfolgt. Jede Kommunion erhöht die Hemmschwelle, Böses zu tun, und egal, was gerade aus der Bibel dran ist, es geht in mich hinein, und es lagert sich immer etwas ab als Stark- oder Muntermacher. Gerade die als einfallslos verschriene Regelmäßigkeit bringt's! Es besteht da sehr wohl eine Parallele zum körperlichen Training; bloß gibt der Sportler zu, dass er auf den Hund kommt, wenn er nicht mehr trainiert, während die Gottesdienstschwänzer sich Illusionen machen. Soundso viel verstehe ich besser und tue ich nur, weil mir der Gotteskontakt Verständnis und Kraft dazu gab. Und selbst der nobelste und der idealistischste unter den Nichtkirchgängern kann dort, wo der lebendige Gott verhandelt wird, nur Zugewinn machen für sein Leben.

 

Dekan Dr. Dietmar Horst, Härtsfeld

 

Geburtlich leben

Meine jüngste Nichte ist nur wenige Wochen alt. Vor einigen Tagen habe ich sie erstmals besucht. Wie alle Babys, bezaubert auch sie jeden, der sie anschaut indem sie einfach nur zurückblickt und dies scheinbar höchst erstaunt. Wenn sie ihre braunen Knopfaugen weit aufreißt, wirkt es, als würde sie sich unmittelbar mit der Welt und den Menschen um sie herum verbinden. 

„Jeder Mensch ist ein neuer Anfang, begabt mit der Freiheit zum gemeinsamen Handeln“, schreibt die Philosophin Hannah Arendt. Das gilt nicht nur Neugeborenen, sondern Menschen jeden Alters. In diesem Satz verdichtet sich, was jedem von uns aufgetragen ist: Jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit sehen, seine einmalige Würde achten und ihn unterstützen, ein Leben lang ein Original zu bleiben. In jedem Menschen liegt ein Potential, das sich entfalten will.

Es ist nie zu spät seine Talente auszuleben- zum eigenen Wohlbefinden und zur Stärkung des Miteinanders. Glücklicherweise kann jeder Mensch immer wieder klein anfangen. „Geburtlich leben“ nennt Hannah Arendt diese befreiende Lebensart, in dem das Fremde keine Bedrohung ist, sondern eine Chance, Unbekanntes und Neues im eigenen Leben zu entdecken und anzunehmen. „Geburtlich leben“ bedeutet alltäglich Widerstand zu leisten für ein Miteinander, das sich nicht auf Kosten der Schwächsten und Kleinsten durchsetzt, und in dem sich Selbstentfaltung und Solidarität ergänzen.

Das Foto, das ich beim Besuch von meiner Nichte gemacht habe und auf dem sie aussieht, als habe ich beim Fotografieren das Blitzlicht angelassen, habe ich mir ausgedruckt und an die Fotowand gehängt. Wenn ich es sehe, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht. Dabei vermag es noch viel mehr: Es ermahnt, dass sich eine Gemeinschaft glaubwürdig erweist durch die Art und Weise, wie sie mit den Kleinsten und Schwächsten umgeht. Es erinnert daran, dass jeder Tag ein Neubeginn sein kann und lässt staunen über das Geschenk des Lebens.

 

Carmen Hepp, Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung Kreis Heidenheim, Heidenheim

Unerhörtes Gebet

Unerhörtes Gebet

Was bedeutet es, wenn ein Gebet nicht erhört wurde? Diese Frage stellt der Augsburger Gebetshausleiter, Buchautor und Familienvater Johannes Hartl in einem Beitrag auf seinem Facebookauftritt. Der katholische Theologe zählt zunächst auf, was ein nicht erhörtes Gebet nicht bedeute. Es bedeute nicht, dass man zu wenig geglaubt oder man etwas falsch gemacht habe, dass Gott unser Gebet egal sei, dass es Gott nicht gebe oder dass Gott es nicht gut mit uns meine.

Vielmehr könne ein unerhörtes Gebet bedeuten:
- dass Gott etwas Besseres für dich hat als das, worum du betest
- dass die Zeit noch nicht reif ist dafür
- dass Gott dir zumutet, mit unerfüllten Wünschen zu leben
- dass wir nicht alles verstehen und nicht alles kontrollieren können
- dass Gott kein Automat ist und geheimnisvoll bleibt
- dass es um liebendes Vertrauen geht gerade da, wo wir nicht alles verstehen


Und trotzdem bleibt es oft schmerzvoll und unverständlich. Jesus betete, dass der Kelch des Leidens an ihm vorübergeht und wurde nicht erhört! Er kennt unerhörtes Gebet! Er kennt deinen Schmerz. Komm mit Deinen Zweifeln und Deinen Wunden zu ihm, der aus Liebe verwundet wurde. Der Blick aufs Kreuz stärkt dich!

Dekan Dr. Dietmar Horst, Seelsorgeeinheit Härtsfeld

Abhaken und Weitermachen

Am Ende hat es dann doch nicht gereicht. Die Enttäuschung war groß bei den deutschen Spielerinnen als sie am vergangenen Sonntag das Finale um die Fußball-Europameisterschaft mit 2:1 verloren hatten. Das große Ziel, den großen Traum konnte das deutsche Team nicht verwirklichen. Und jetzt? War das alles vergebens – das gesamte Turnier, die harte Arbeit und der viele Schweiß? Unterm Strich: Ja, denn im Fußball zählen eben nur die Titel. Andererseits brachte das Turnier den deutschen Spielerinnen sicher auch viel Selbstvertrauen und das Gefühl, zu den Spitzenteams zu gehören. Und genau das wird nun wichtig sein, wenn es schon bald in die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2023 geht. Aber bis dahin ist erst einmal Durchschnaufen angesagt!

Für viele Menschen ist die Sommerzeit nun ebenfalls eine Zeit zum Erholen und zum Auftanken nach einem vielleicht anstrengen Schuljahr oder stressigen Arbeitsmonaten. Sicher ist vor dem Sommerurlaub so manches nicht geglückt: Gesteckte Ziele wurden nicht erreicht, das Zeugnis hätte besser sein können oder so manches Projekt blieb unvollendet. Umso wichtiger ist es nun, einmal durchzuatmen und die Zeit zu nutzen, um sich zu erholen und neue Kräfte aufzutanken.

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, so formulierte es einst der deutsche Bundestrainer Sepp Herberger. Und diese Weisheit gilt wohl nicht nur im Fußball. Die Sommerwochen mögen für viele von uns eine Erholungspause vom Schul- oder Arbeitsalltag sein. Aber danach wird es bald wieder los- bzw. weitergehen. Dann ist es gut, wenn wir manches Scheitern und Unvollendetes zurücklassen können und uns das Gelungene und Erreichte vor Augen zu halten. Und damit dies gelingen kann braucht es oft die Unterbrechung. Ich wünsche uns, dass wir in diesen Sommerwochen die nötige Zeit finden, um das, was nicht gelungen ist, innerlich abzuhaken und so unsere Kräfte neu auszurichten.

Thomas Haselbauer, Pastoralreferent SE Unteres Brenztal

 

Gott ein Wunscherfüllautomat?

Es klingt im Lukasevangelium eigentlich fantastisch. Wer bittet, dem wird gegeben, wer suchet, der findet, wer anklopft, dem wird geöffnet. Da Jesus in diesem Abschnitt des Evangeliums über das Beten spricht, liegt die Vermutung nahe, dass es wohl beim Beten genau so zu funktionieren hat. Man muss einfach um etwas bitten und wie durch Zauberhand wird uns jeder Wunsch erfüllt.

Doch ist unsere Erfahrung mit Beten oft die, dass uns eben nicht jedes Anliegen sofort erfüllt wird. Dass Gott nicht wie ein Wunscherfüllautomat funktioniert, den man nur mit dem Wunsch füttern muss und er spuckt einem das Gewünschte mir nichts dir nichts wieder aus.

Doch wenn es so nicht funktioniert, wie ist dann die oben angegebene Stelle zu verstehen?

Ich denke, dass Jesus uns sagen möchte, dass wir auch selbst ins Handeln kommen müssen, damit sich unsere Gebete und Wünsche an Gott in die Tat umsetzen können. So verstehe ich das Suchen und Klopfen. Wir können selbst Vieles in die Hand nehmen, damit unser und das Leben anderer sich zum Besseren ändern kann. Oft fehlt uns der Antrieb damit einfach anzufangen. Vielleicht kann es heute wieder ein Ansporn sein, dass wir uns in unserer Umgebung umsehen und Möglichkeiten Erkennen dieses Handeln anzufangen. Und wenn wir dann einmal damit angefangen haben, können wir uns hundertprozentig sicher sein, dass Gott seinen Teil auch dazu geben wird. Dass er es unter seinen Segen stellt und uns beisteht bei unseren Vorhaben.

Kommen wir also wieder ins Handeln dann wird uns sicherlich gegeben, wir werden finden und uns wird geöffnet.

 Florian Kick, Pastoralreferent in der Seelsorgeeinheit Heidenheim

„Jesus neben mir?“

Zu Beginn des Advents 2021 habe ich Sie eingeladen zur Reise in Ihr Herz. Ob Sie diese Reise angetreten haben, wissen nur Sie allein … In der ersten Lesung dieses Sonntags heißt es im 5. Buch Mose: „… das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen …“ Das Wort ist nach dem Evangelisten Johannes JESUS selbst. Wenn ER also in Ihrem, in deinem Herzen wohnt, dann darfst du IHM begegnen in dem Menschen neben dir!

„Grüß Gott!“ haben sich die Menschen früher häufiger als Begrüßung zugesprochen. Heute höre ich oft die saloppe Aussage: „Wenn ich ihn sehe!“ Dann denke ich immer. „Du hast IHN schon übersehen! ER begegnet dir in mir!“

Corona hat unsere Scheu vor dem anderen noch verstärkt – denn der andere könnte mir ja potenziell gefährlich werden, indem er mich ansteckt. Bei dieser Denkweise, die JESUS völlig fremd ist, kommt heraus, wer mir selbst am nächsten ist: ICH! Dadurch gehen unsere Menschlichkeit, unser Miteinander und unsere Gesellschaft zugrunde – denn wir alle sind auf das Miteinander angelegt.

Dieser Sonntag mit dem Evangelium vom „Barmherzigen Samariter“ (die Bibel, Lukasevangelium, Kapitel 10, Verse 25-37) stellt hier einen Gegenentwurf dar. Am Ende bedeutet die Barmherzigkeit die Lösung der Frage nach dem Nächsten. So bist auch DU und ich, sind wir immer neu gefragt, wie hart wir unser Herz machen, um dem Nächsten auszuweichen und eben nicht barmherzig an und mit ihm zu handeln.

Dass es uns wieder neu – entgegen alle rationalen Widersprüche – gelingt, barmherzig am Nächsten zu handeln, JESUS neben uns zu entdecken, wünscht Ihnen und sich selbst herzlich!

 

Ihr Diakon Andreas Häußler

Vertrauen in Christus

Eine beängstigende Nachricht jagt die andere: immer noch Krieg in der Ukraine; Corona-Zahlen steigen wieder; Öl- und Gaskrise soll noch länger anhalten; Arbeitsplätze gefährdet; Fachpersonalmangel und so weiter. Von anderen Katastrophen in der näheren Umgebung oder in entfernteren Ländern gar nicht zu sprechen. Da könnte ich glatt verzweifeln! Am Sonntag hören wir in den katholischen Gottesdiensten aus dem Lukas-Evangelium (Lukas 9,51-62) folgende Begebenheit: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Die Jünger suchen eine Unterkunft in einem Dorf, aber erleben dort Ablehnung. Sie wollen das Dorf deshalb „vernichten mit Feuer vom Himmel“. Jesus verbietet ihnen dieses Handeln. Sie ziehen weiter. Als Nächstes erfahren wir:  um Jesus nachzufolgen, verlangt er von den Menschen eine sofortige Entscheidung, keinen Aufschub und ein bedingungsloses Ja, ohne Blick zurück. Und schon wieder eine schlechte Nachricht für mich – das, was Jesus da einfordert, das kann ich als Christin gar nicht leisten. Oder doch? Eigentlich sind die Anforderung als Christin in der Nachfolge Jesus zu leben gar nicht so schwer: ich gebe Jesus einen Raum in meinem Herzen - „so hat der Menschensohn einen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“. Ich versuche mich nicht an den Katastrophenmeldungen festzuhalten - „die Toten begraben ihre Toten, du aber verkünde das Reich Gottes“. Ich versuche das Positive in meinem Leben wahrzunehmen - „blicke nicht zurück, wenn du angefangen hast, Jesus und das Reich Gottes in dein Leben zu lassen“. So wird die Aufforderung Jesus an mich - das „Folge mir nach!“ - nicht zur unlösbaren Aufgabe und unangenehme Nachrichten machen mir keine große Angst mehr.

Brigitte Ferdinand, Gemeindereferentin, Nattheim

Pusteblume

Am vergangenen Freitag war ich im Pflegeheim und gestaltete einen Gottesdienst. Das Thema war „Gott sah, dass alles gut war“. Ich hatte als Gedanke an die bewahrende Schöpfung eine Blume dabei. Darüber möchte ich Ihnen heute schreiben. Diese Blume kennen wir alle gut. Für die einen ist es ein Unkraut, für die Anderen eine schöne wertvolle Pflanze. Ich schreibe vom Löwenzahn. Er wächst leuchtend gelb an den unterschiedlichsten Orten: mitten auf der Wiese mal alleine oder in Gruppen. Er keimt aber auch durch kleine Ritzen am Wegesrand oder zwischen Platten. Er hat sogar die Kraft, Teer zu durchbrechen.  Der Löwenzahn ist für mich eine Pflanze der Stärke. Er beißt sich durch, er ist zäh und ausdauernd, dabei sehr genügsam. Er ist tief verwurzelt.

Auch nach der Blüte hat er ein einmaliges Aussehen. Wer kennt es nicht, den Samenball anzupusten und ihnen beim Wegfliegen zuzusehen. Es kann ein Sinnbild für gute Gedanken und Wünsche sein, die wie Samen weggetragen werden zu der betreffenden Person. Die kleinen Samen wirbeln durch den Wind und landen auf den verschiedensten Untergründen. Egal ob auf dem kargen Boden oder auf feuchter Wiese, er keimt schnell und zuverlässig.

Wir Menschen bekommen täglich viele Samen geschenkt, ohne dass wir diese immer bewusst wahrnehmen. Samenkörner sind für mich Hoffnung, Zuversicht, Vertrauen, Lachen, Trost, Gesehen werden und mein Glaube. Es ist sicherlich tagesformabhängig, wie wir diese Samenkörner annehmen können. Diese Samenkörner werden zu kleinen Kostbarkeiten und kraftspendenden Quellen. Sie zeigen uns, wie Wichtig und einmalig wir sind.

Ich wünsche Ihnen immer wieder aufs Neue, dass Sie gestärkt Ihren Alltag erleben dürfen und von Gott gesegnet sind.

Mirjam Dorr, Gemeindereferentin der SE Gerstetten-Steinheim

Camino

Was fällt Ihnen ein, wenn sie Camino hören? Viele denken vermutlich an den Jakobsweg, den Camino de Santiago. Dieser Pilgerweg besteht aus einer Vielzahl an Wegen durch Europa, die alle ihr Ziel am Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela finden. Camino jedoch steht nicht nur für den Jakobsweg. „Camino“ aus dem Spanischen übersetzt bedeutet einfach „der Weg“. 
Just im Moment sitze ich in einer Wanderunterkunft (Refugi) in Spanien und entdecke Tag für Tag die Etappen des Camino de Mallorca (GR221). Zu Fuß auf dem Pfad durch die Tramuntana in frühsommerlicher Hitze unterwegs, lasse ich auch meinen Gedanken freien Lauf und lande immer wieder bei der Frage: was macht eigentlich einen Pilger, eine Pilgerin aus. Im Gespräch mit zwei Freunden kristallisiert sich dann eine für mich recht passende Antwort heraus.
Pilgern ist eine Art des unterwegs seins, bei der ich reduziert auf den Weg unter meinen Füßen, auf das was ich am Körper oder auf dem Rücken trage und die Gedanken, die dabei kommen und gehen, bin. Was mir in den Kopf kommt das kann ich für ein paar Meter oder Kilometer mitnehmen, betrachten, reflektieren aber auch wieder verabschieden. So ist es auch mit Begegnungen mit anderen auf dem Weg. Mal komme ich ins Gespräch, mal gehen wir schweigend einander zulächelnd aneinander vorbei. Auf dem Weg bin ich also offen für die Begegnungen in meinem „Innen“ und dem „Außen“; Mit mir selbst, der Natur, anderen am Weg, vielleicht ja auch mit Gott? Als Pilgerin bin ich unterwegs mit konkreten Fragen oder Geistesblitzen,  mit offenen Augen und einem offenen Herz. Den Camino suche ich mir dabei selbst aus, Hauptsache er führt mich für eine (kurze) Weile aus dem Alltag heraus. Pilgern geht dabei überall, solange ich nur mit dem Notwendigsten auf den Schultern los gehe und offen bin für das was mir auf meinem Camino Schritt für Schritt begegnet.

Carolin Christmann, Jugendreferentin Kath. Jugendreferat / BDKJ Dekanatsstelle Heidenheim 
 

Maria - die Knotenlöserin

Das liturgischen Jahr in der katholischen Kirche legt im Monat Mai zusätzlich ein Augenmerk auf Maria. Maria, ein besonderer Mensch wie eine charismatische Frau, der es in hoher Vollendung gelungen ist, die Herausforderungen ihres Lebens mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen.Es gibt vielfältige Darstellungen, die Maria biographisch in den Blick nehmen. Eine eher randständige begleitet mich schon seit vielen Jahren, weil sie mir immer wieder neu eine lebensförderliche Haltung eröffnet.

In St. Peter am Perlach in Augsburg, einer wenig auffallende Kirche neben dem Rathaus, hängt im rechten Schiff ein eher unscheinbares Marienbild. Auf den ersten Blick Normalität in einer katholischen Kirche. Um das Jahr 1700 von einem Maler namens Georg Melchior Schmidtner als Auftragsarbeit entstanden. Auf den zweiten Blick etwas Besonderes: Eine, die fürs "Knotenlösen" bekannt geworden ist.

Wir sehen Maria, wie sie zwischen Himmel und Erde steht auf einer Mondsichel.

Sie erinnert an die Frau aus der Apokalypse des Johannes, die Heil kündet.

Eine Frau, über der der Himmel weit geöffnet ist. Künderin einer Zeit, von der es heißt, dass Gott darin einmal alle Tränen abwischen und allen Kummer stillen wird.

Maria löst Knoten. Sie steht auf einer Schlange, die selbst in sich verknotet ist. Fast zärtlich berührt ihr nackter Fuß die Schlange. Die Schlange aus dem Paradies - ein Zeichen dafür, wie und auf welche Weise die Verknotungen in unsere Welt gekommen sind. Maria, die Knotenlöserin, wird hier aber als Mittlerin der Gnade dargestellt. Was sie einst mit erworben hat an Gütern für die Menschen, teilt sie jetzt aus: Heil den Kranken, Zuflucht den Bedrückten, Helferin derer, die nach ihr suchen, Mutter des guten Rates, Löserin vieler Knoten. Denn in Geduld löst sie Knoten für Knoten auf. Der eine Engel reicht ihr ein Band mit großen und kleinen, mit einzelnen und gehäuften Knoten herauf.

Die Menschen, die zu dieser Kirche kommen und vor dieses Bild treten tun es ihm nach: Sie bringen vieles, was ihr Leben „verknotet": Sorgen im persönlichen Leben, im Familienleben, im Beruf, im Zusammenleben mit Nachbarn, in der Krankheit. Sie bringen, was das Zusammenleben der Völker „verknotet".

Maria löst die Knoten und lässt ein freies Band zur anderen Seite herabgleiten. Sie nimmt sich Zeit. Sie löst in Geduld Knoten für Knoten. Sie zerschlägt die Knoten nicht. Ein anderer Engel nimmt das Band auf und zeigt es mit vielsagendem Blick den Betrachter*innen des Bildes: „Seht her, wie sie es macht!

Wenn Knoten gelöst werden, stehen die Fäden wieder für etwas Neues zur Verfügung. Sie können gebunden, verflochten, verwebt und vernetzt werden. Das gilt auch für Lebensknoten in Lebensfäden wie für Wegknoten auf Lebenswegen - also: Seht her, wie Maria es macht!

Helmut G. Bertling, Katholischer Schuldekan

 „Geht in alle Welt und seid meine Zeugen!“

Im April und Mai blüht er wieder in leuchtendem Gelb auf Wiesen, Wegrändern, in unseren Gärten, aber auch auf Brachflächen und Mauerritzen:

der “Gewöhnliche  Löwenzahn“.

Kinder lieben ihn besonders, der Stil kann als Pfeife benutzt oder ins Wasser gelegt werden und bildet dann Kringel, die Blüten werden zu Haarkränzen gebunden oder zu Blumensträußchen arrangiert. Und dann natürlich die Samen, seine Pusteblumen, die sich in die ganze Umgebung von unserem Atem oder dem Wind tragen lassen. Für viele Erwachsene ist er aber auch ein Ärgernis im Garten. Eine Geschichte dazu, die Sie vielleicht zum Nachdenken bringt :

Es war einmal ein berühmter Rosenzüchter, der verzweifelt versuchte, den Löwenzahn aus seinem prachtvollen Garten zu vertreiben. Eines Tages bewunderte seine kleine Enkelin den blühenden Löwenzahn und meinte Überglücklich, dass er die schönste Sonnenrose sei, die es auf der Welt gibt. Da sah der Rosenzüchter die Pflanze erstmals richtig an und plötzlich rührte das prachtvolle Gelb dieses kleinen Gewächses sein Herz. An diesem Tag begann er, so wie seine Enkelin, den Löwenzahn zu lieben.

Wenn wir den Löwenzahn und seine Heilswirkung genauer betrachten, so haben Wissenschaftler festgestellt, dass er hemmende Wirkungen bei Krebszellen hat, dass seine Bitterstoffe bei Rheuma, Diabetes und Ekzemen eingesetzt werden, dass sein Saft in den Stängeln gegen Warzen und Hühneraugen Abhilfe schaffen kann. Seine Blätter und Blüten sind essbar, Bienen stellen aus ihm ihren Honig her.

 Und wir bezeichnen ihn als „gewöhnlich“!!

Was mich immer wieder an dieser Blume fasziniert ist, dass sie aus ihren gelben Blütenblätter diese kleinen, schlanken und tannenförmigen, mit pelzigen  kleinsten Häckchen versetzte Flugschirmchen ausbildet, die sich überall hinwehen lassen und dann im nächsten Jahr wieder zu einer Pflanze werden. Der Löwenzahn lässt sich in seiner Verbreitung nicht aufhalten. Der Löwenzahn ist für mich ein Symbol für das, was nach Ostern damals mit den Jüngern Jesu  damals geschehen ist und heute immer noch weitergeht:

Jesus sendet den Jüngerinnen und Jüngern seinen Heiligen Geist, der sie ermutigt, in alle Welt zu gehen und seine Botschaft weiterzuverbreiten. Dort wo die Verkünderinnen und Verkünder auf Menschen treffen, die sich für den Glauben begeistern lassen, da blüht eine kleine Gemeinschaft auf. So wurde der Glaube und die Frohe Botschaft Jesu Christi in die ganze Welt getragen, weil immer wieder einige aus einer Gemeinde weitergezogen sind, um anderen Menschen davon zu erzählen. So können wir es in der Lesung  in der Apostelgeschichte 8,4 hören:

„Die Gläubigen, die zerstreut worden waren, zogen umher und verkündeten das Wort.“

Im Unscheinbaren, Gewöhnlichen liegt so Viel, wie beim Löwenzahn: ein mutmachendes Wort, ein freundliches Lächeln, gutes Zuhören, eine erheiternde Erzählung, ein gutes Gespräch, ein Zitat aus der Bibel oder von Menschen, die tiefer sehen.

David Hume hat es so ausgedrückt: „Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet.“

 

Marianne Banner, Gemeindereferentin der Seelsorgeeinheit Unteres Brenztal

Ostern und Auferstehung - nichts für Spiritisten und Rationalisten

Wie ein Leben nach dem Tod aussehen könnte, regt die Fantasie an. Überlassen wir es aber lieber dem Bereich der Fantasie und der Spekulation. Mir ist es wichtiger, zu wissen, wie sich Auferstehung anfühlt, als zu wissen, wie ein Leben nach dem Tod aussieht.

Eines vorweg: Auferstehung bedeutet nicht, dass unser Leben nach einer Unterbrechung einfach „weitergeht“, nur unter besseren Bedingungen, ohne Not und Leid. Auferstehung bedeutet ebenso wenig, dass alles auf Anfang gesetzt wird. Das Leben nach dem Tod hat etwas mit unserem jetzigen Leben zu tun. Es ist vielmehr die Ernte unseres Lebens. Alles, was war, wird gesammelt und durch Gott vollendet und geheilt. Das ist insofern wichtig, weil nichts verloren und vergessen wird: weder unsere glücklichen noch unsere traurigen und depressiven Momente. Das heißt, es ist uns jetzt schon möglich, zu erfahren, wie sich Auferstehung anfühlen könnte. Denn wie jeder von uns die Vorboten des Todes kennt, nämlich Einsamkeit, Schuld, Zweifel, Streit, Schmerzen, etc., so kennt jeder von uns auch Zeichen göttlicher Heilung, nämlich Liebe, Versöhnung, Klarheit, Frieden, etc.

Wie oft durfte ich bei Beichtgesprächen dies miterleben? Noch vor wenigen Minuten kamen die Menschen zerknirscht und mit gebückter Haltung und jetzt zeigt sich ein zufriedenes und befreites Lächeln; einige vergießen sogar Freudentränen. Mir selber wurde diese Gnade in meinem Leben bisher zwei Mal geschenkt. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie es ist, wenn man in Unfrieden mit sich lebt, wenn man in große Angst und Zweifel gerät, wenn man jahrelang innerliche Kämpfe bestreiten muss, und einem dann auf einmal zugesprochen wird: „Ich habe dich lieb.“ Diese Stimme Gottes verwandelt alles.

Von einem Firmling angesprochen, wie sich das ewige Leben zu unserem jetzigen Leben verhält, habe ich geantwortet: Du bist wie ein Rohdiamant. Die Zeit, die Gott braucht, um dich zu einem Edelstein zu schleifen, gibt er dir auf Erden. Am Ende erstrahlst du als Edelstein - als der Mensch, den Gott in dir schon immer gesehen hat.

Auch wenn ich nicht weiß, wie ein Leben nach dem Tod konkret aussieht, so könnte ich ohne den Glauben an eine Auferstehung dieses Leben nicht ertragen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Osterfest.

 

Pf. Tuan Le, Leitender Pfarrer Seelsorgeeinheit Heidenheim

 

Heilige Woche

Am Palmsonntag beginnt die Karwoche, die auch „heilige Woche“ genannt wird. Wir schauen auf den todesbereiten Herrn, der bewusst der Stadt seines Leidens entgegengeht. Am Gründonnerstag blicken wir dann auf den Jesus im Abendmahlssaal. Er deutet sein Leiden als Hingabe für die vielen, für die Menschen. Stellvertretend für die Schuld der Menschen geht er den Weg des Kreuzes. Am Karfreitag stehen wir mit Maria und Johannes unter dem Kreuz und erfahren, dass die rettende Liebe des Herrn blutige Wirklichkeit ist. Gott redet nicht nur von seiner Liebe - er lässt diese Liebe belasten, lässt sie bis zum Äußersten sich ausdehnen, bis zu dem Punkt, an dem menschliche Liebe normalerweise zerbricht.
Der stille Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe Jesu. Wir betrachten sein Leiden und seinen Tod.
Die Osternacht und der Ostersonntag bringen dann im Jubel des Halleluja zum Vorschein, was, verborgen hinter allen Feiern, Wirklichkeit ist: Durch Christi Lebens- und Todeseinsatz ist uns das Leben geschenkt. Der Tod hat über uns keine wirkliche Macht mehr. Christi Auferstehung hat unsere Gräber geöffnet und uns das Leben Gottes neu geschenkt.
Der Leidensbereite ist der Sieger. Wir dürfen dem Kreuzträger das Hosanna zurufen und tun es, weil wir wissen, dass seine Liebe auch uns getragen hat und immer noch trägt.
Wir haben ihn geschlagen - und er bleibt uns treu. Wir haben ihn gegeißelt - und er tritt für uns ein. Wir haben sein Herz durchbohrt - und es war darin keine Arglist und kein Rachegedanke gegen uns zu finden.
Gottes Liebe, in Christus auf die Folterbänke und Kriege der Welt ausgespannt, lässt sich nicht in Hass verwandeln. Das ist der Sieg, der uns Christus zujubeln lässt: „Hosanna, dem Sohne Davids! Gepriesen, der da kommt im Namen des Herrn!“.

Pfarrer Dr. Dietmar Horst
Seelsorgeeinheit Härtsfeld

#DasMachenWirGemeinsam

Was wohl für die meisten von uns unvorstellbar war, ist jetzt traurige Wahrheit: es herrscht Krieg in Europa. Zahllose Menschen sind auf der Flucht: in der Ukraine selbst oder über die Grenzen in andere Länder. Zahllose Menschen haben ihre Heimat verloren, ihr Hab und Gut. Zahllose Menschen haben ihr Leben verloren. Wir alle sind betroffen und schockiert.

Was mir aber ein wenig Hoffnung schenkt in dieser Zeit, ist die Bereitschaft von so Vielen, zu helfen und sich zu engagieren. Der Deutsche Caritas-Verband hat im Jubiläumsjahr seine Jahreskampagne mit dem Slogan #DasMachenWirGemeinsam überschrieben. Auch in der aktuellen Situation zeigt sich: wir können die Umstände verbessern, wenn wir zusammen helfen. Wir können Menschen ein Willkommen bereiten, wenn wir unsere Herzen öffnen, wir können Hilfe ermöglichen, durch Spenden – gemeinsam.

Neben aller praktischen Hilfe dürfen wir aber auch auf das gemeinsame Gebet vertrauen. An vielen Orten in unserer Diözese beten mittags um 12.00 Uhr Christen für den Frieden in der Ukraine. Ich lade Sie ein, sich diesem gemeinsamen Gebet anzuschließen:

In Verbundenheit mit vielen
flehen wir zu dir, Gott:
Damit Frieden sich ausbreitet!
Damit Menschen in Hoffnung leben können.
Ohne Angst vor Bomben und Granaten.
Gib denen Weisheit, die um Frieden verhandeln.
Sei bei den Menschen in der Ukraine.
Sei bei allen, die Angst haben und um ihr Leben fürchten.
Schenke Frieden, Gott,
der Ukraine und der ganzen Welt!

Marion Santin, Leitung Sozial- und Lebensberatung Caritas Ost-Württemberg

Aus dem Auge ist nicht aus dem Sinn

Ein Wegkreuz im Wald mit einem geheimnisvollen „Schatten aus Licht“. Ich musste es fotografieren. Sie haben den Christus-Corpus aus Metall oder Holz daran abgenommen. Die bildhafte Erinnerung an den gekreuzigten Erlöser der Welt. Aus dem Auge – aus dem Sinn? Nein, Jesus lässt sich nicht so einfach abhängen, wegwischen, ausradieren. Wie schon damals vor bald 2000 Jahren am Karfreitagabend: Da hat man seinen Leichnam ins Grab gelegt. Doch sowohl der fehlende Körper auf dem Bild als auch der lebendige Jesus Christus selbst hinterließ Spuren, leuchtende sogar. Und die Botschaft seines Namenskürzels kommt noch schöner zur Geltung: JHS = Jesus Hominis Salvator, d.h. „Jesus Erlöser des Menschen“. Von seiner Verhaftung bis zum schimpflichen Tod am Kreuzbalken vergingen wohl keine 24 Stunden. Es schien wieder, dass sich der Stärkere durchsetzt und dass der Sieger die Geschichte schreibt. Doch dieses Mal hatten sie sich gründlich verrechnet! Der Hingerichtete zeigt sich plötzlich wieder quicklebendig und motiviert seine Jüngerinnen und Jünger zu erstaunlichem Mut in ihrem Glaubenszeugnis. Im Lauf der Zeit wird ausgerechnet das perfide Folterinstrument der römischen Justiz zum Erkennungszeichen der jungen Kirche. Fast die ganze Welt sieht gerade in einen der dunkelsten Abgründe menschlicher Grausamkeit und kaltblütiger Berechnung: Der blutige Krieg gegen die ukrainische Bevölkerung macht sehr betroffen. Ich hoffe sehr, dass die vielfältigen Bemühungen auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden von Erfolg gesegnet sein werden!  Zugleich sind alle Getauften eingeladen in der momentanen Fasten- bzw. Passionszeit auf den Gekreuzigten zu schauen. Selbst wenn er so unsichtbar zu sein scheint, wie der Corpus an diesem Wegkreuz. „Kreuz, auf das ich schaue, steht als Zeichen da; der, dem ich vertraue, ist in dir mir nah“ heißt es in einem Kirchenlied. Lassen wir uns vom lichtvollen Jesus in den Blick nehmen und auch auf den dunkelsten Wegstrecken er-Mut-igen: „Ich bin dir nah, unaufdringlich, auch wenn dir mein Platz leer erscheint. Ich breite nach dir und allen, deren Pläne durchkreuzt wurden, die Arme aus. Und ganz zum Schluss erwarte ich dich im Licht!“

Dietmar Krieg, Pfarrer in Schnaitheim

„Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“ (Lukas 6,41) Humorvoll lernen

Im Kalender steht zwar Faschingssonntag, doch was im Veranstaltungskalender hierzu zu finden ist, hat nichts mit dem sonst Gewohnten zu tun. In dem einen oder anderen Gottesdienst wird dann doch wenigstens eine Reimpredigt zu hören sein. Vielleicht haben auch Sie eine andere Möglichkeit ist lustiger Weise zusammen zu sein.

Irgendwie möchte doch das zum Ausdruck kommen, was für viele den Fasching ausmacht: das Mensch-Sein zu genießen, Spaß, Freude und Humor miteinander zu teilen und nicht alles um sich herum allzu ernst zu nehmen. Oder eben doch? Hinter so manchem Motto am Faschingsumzug steckt ja durchaus eine echte Botschaft an Politik und Kirche und auch an jeden einzelnen. Spaßig verpackt wird einem da doch eine klare Aussage mitgegeben. An Fastnacht geradezu auch mitgegeben hinein in die Fastenzeit, in der es ja auch nachdenklich zugehen darf und so mancher erhaltene Anstoß auch auf einen selbst hin überdacht werden kann.

Die katholische Sonntagslesung für den morgigen Sonntag bringt ein Gleichnis Jesu. Bei Jesuworten neigen wir ja eher dazu, diese erstmal von einer ernsten Seite her zu lesen. Doch ich glaube, dass der Vergleich, den da Jesus angestellt hat, viele seine Zuhörer erst einmal zum Lachen angeregt haben dürfte: ob man denn den Splitter im Auge des anderen herausziehen könne, wenn man den Balken im eigenen Auge nicht bemerkt? (vgl. Lukas 6,42) Gerne stellen Sie sich das einmal bildhaft vor! Wie der eine dem anderen versucht, einen Splitter aus dem Auge zu holen, selbst aber einen Balken – wohlgemerkt keinen kleinen Holzspan – im Auge oder besser vor dem Kopf hat. Dieses Bild mag doch eher komisch wirken, als dass es  mit Jesu Botschaft vom Reich Gottes zu tun haben soll?

Diese humorvolle Aufforderung erst einmal bei sich selbst anzufangen, dürfte so jedoch leichter bei einem ankommen als zum Beispiel der Vorwurf, dass man die Fehler stets beim anderen suche.

Vielleicht hören Sie während der kommenden Faschingstage noch den ein oder anderen guten Witz und können auch darin einen freundlichen Tipp für ein gutes Zusammenleben entdecken – das wäre genau in der Spur von Jesu Botschaft.

Stefan Wietschorke, Gemeindereferent in der SE Heidenheim-Nord

Ein Tag der Liebe

Am 14. Februar wird Valentinstag gefeiert. Für viele Menschen ist es der Tag der Liebenden und Verliebten. Andere dagegen sehen in ihm nichts anderes als puren Kommerz. Aber woher kommt der Valentinstag? Namensgeber ist vermutlich der Heilige Valentin von Terni. Der Legende nach soll er im dritten Jahrhundert Soldaten getraut haben, obwohl dies von Kaiser Claudius II. verboten war. Anschließend soll Valentin den Paaren Blumen aus seinem Garten geschenkt haben. Bräuche rund um den Valentinstag gab es schon sehr früh. In Deutschland kam der Brauch, an Valentinstag Blumen zu verschenken erst Mitte des 20. Jahrhunderts durch stationierte US-Soldaten. So wie Valentin von Terni sich für die Liebe eingesetzt hat, kann der Valentinstag für uns heute auch ein Tag der Liebe sein. Bereits im ersten Korintherbrief steht geschrieben „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor 13,13). Ohne Liebe und ohne die Erfahrung bedingungslos angenommen und geliebt zu werden ist es schwer Hoffnung und Glaube zu finden. Die Liebe untereinander, aber auch die Liebe Gottes ist das Fundament auf dem wir unser Leben aufbauen. Sie trägt uns durch unser Leben. Der Valentinstag als Tag der Liebe kann die Möglichkeit geben, sich dieser Liebe in seinem Leben bewusst zu werden. Aber auch, den geliebten Menschen in seinem Leben dies zu sagen. Sich dafür Zeit zu nehmen, und bewusst zu sagen „Ich liebe dich“ oder „Ich bin froh, dich in meinem Leben zu haben.“ Diese liebenden Worte gehen im Alltag oft unter. Sie zu hören, tut aber jedem Menschen gut. Kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen können diese Worte noch unterstreichen. Geliebt zu werden und zu lieben, ist das was uns Menschen ausmacht. Daher ist es wichtig und gut, die Liebe zu feiern. Und das nicht nur an Valentinstag.  

Isabella Weber, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Härtsfeld

Schon wieder so spät?

Eigentlich geht alles viel zu schnell. Kaum hat das neue Jahr begonnen, sind bereits vier Wochen vergangen. Ich frage mich, wo die Zeit geblieben ist. Es scheint, dass nur für Kinder die langweilige Schulstunde oder das Warten auf den Geburtstag viel zu lang dauert. Zeit ist ein besonders Phänomen! Sie ist schwer zu fassen und abstrakt. Wir erleben sie gleichzeitig als Kreislauf und  eine Einbahnstraße.

Ende Januar nimmt die Helligkeit zu und werden die Tage spürbar länger. Nicht mehr lange und die Natur wird erblühen und im Wechsel der Jahreszeiten dann wieder absterben. Auch unser Alltag ist geprägt von Wiederkehrendem und Routine. Dies gibt unserem Leben den Rhythmus und vermittelt uns eine gewisse Sicherheit. Denn da ist noch die andere Wahrnehmung der Zeit: sie vergeht ständig und es gibt kein Zurück mehr– vergangen ist vergangen und kommt nicht wieder. Das ist beruhigend, weil ich davon ausgehen kann, dass unangenehme Momente vorübergehen. Andererseits ist es auch bedrückend, da ich nichts wiederholen oder rückgängig machen kann. So bleibt alles einmalig und kehrt nicht wieder.

Es hat alles seine Zeit, wie es im Buch Kohelet bzw. Prediger der Bibel heißt. Zudem erfahren wir die Begrenztheit und Endlichkeit der Zeit, die derPsalm 90 thematisiert: „Unser Leben dauert etwa 70 Jahre, und wenn wir bei Kräften sind, auch 80 Jahre.“ Eigentlich ist das ja nicht gerade wenig. Es kommt eben darauf an, was ich draus mache. „Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“, heißt es weiter. Meint also: sich nicht im Alltäglichen und steten Wiederholen verlieren. In der BasisBibel ist der Psalm überschrieben mit „Wertvolle Lebenszeit“. Es ist an mir, die von Gott geschenkte Gabe zu meiner Lebens-Zeit zu machen – nicht mich zu wundern, dass es schon wieder so spät ist.

Ilse Ortlieb, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Heidenheim-Nord

Die Einladung des Winters

An jedem 21.12. denke ich das Gleiche: Merkwürdig, jetzt werden die Tage schon wieder länger und ich habe noch gar nicht richtig wahrgenommen, wie früh am Tag es dunkel wird. Dunkelheit ist ja oft ein Synonym für Ungewissheit, Furcht und Niedergeschlagenheit. Die winterliche Dunkelheit wird aber mit den Bildern von Kaminfeuer, Decken und heimeligen „Im Haus bleiben“ in eine angenehme und „innerlich“ warme Zeit umgedeutet. Es ist verständlich, warum die „geweihte Nacht“ in unseren Breiten gerade in diese Zeit fällt.  

Wie typisch menschlich das doch ist! Wie wir mit Phantasie und Perspektivwechsel aus den kalten unangenehmen Dingen auch angenehme und warme machen können; wieviel Kraft darin steckt, die Dinge aus mehreren Perspektiven sehen zu können – und eine auswählen, die uns guttut oder stimmig scheint. Natürlich geht das nicht immer, aber erstaunlich oft. Wir sind der winterlichen Kälte nicht schutzlos ausgeliefert, weder körperlich noch geistig. Wir können unsere Perspektive ändern, z.B. in diese: Der Winter lädt uns ein, nach Innen zu gehen. Wie der Körper Nahrung und Kleidung braucht, braucht auch unser Geist, unsere Seele Nahrung. Es liegt nahe, was das sein kann: intensive Beziehungen und Gespräche, gute Bücher und Besinnung, Phantasie, Muße und Gebet, Meditation. Religiös zu sein, schenkt uns einen anderen Weg des Weltverstehens – einen inneren sozusagen. Das Gebet schlägt daher immer wieder neu diesen Weg nach Innen ein und folgt der Suche nach neuem, tieferem Verstehen von Welt, Mensch und eben auch Gott. Eine Gotteserfahrung ist eine innere Erfahrung von „Mehr“. So sehr wir auf der Suche nach Freude und Glück in der „äußeren“ Welt sind - ist das doch nur die eine Hälfte der Wirklichkeit. Die andere, innere, weite und lichtvolle Welt will auch erfahren werden. Das ist die Einladung des Winters: Komm herein!

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin im Dekanat Heidenheim

Von der Gottsuche und dem suchenden Gott

Menschen machen sich auf den Weg und suchen den großen Gott. Sie finden ihn als kleines Kind in einem armseligen Stall, fern jeglichem Pomp. Sie werden Kaspar, Melchior und Balthasar, Heilige Drei Könige, die Weisen oder Sterndeuter genannt und stehen sinnbildlich für Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt und damit für eine weltweite Gottsuche.

Die Gottsuche geht jedoch nicht vom Menschen aus, sondern von Gott selbst. Durch Gottes Hilfe – den Stern – wird den Suchenden der Weg gewiesen. Und Gott lässt sich von ihnen finden. Epiphanie, die griechische Bezeichnung des Festes „Erscheinung des Herrn“, meint genau das: Gott wird sichtbar. Er lässt sich nicht nur finden, er setzt alles daran, gefunden zu werden. Er will, dass die Gottsuche der Menschen erfolgreich ist. Deshalb ruft er im Buch Jesaja: „Ich wäre zu erreichen gewesen für die, die nicht nach mir fragten, ich wäre zu finden gewesen für die, die nicht nach mir suchten. Ich sagte zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief: Hier bin ich, hier bin ich.“ (Jes 65,1)

Gott will sich finden lassen. Er sucht die Menschen, die ihn finden möchten. Er macht den ersten Schritt auf die Menschen zu und motiviert sie, ihn zu suchen. Sie würden ihn gar nicht suchen können, wenn er sie nicht schon vorher gefunden hätte. Das Suchen gehört zu seinem Lebensstil, er ist ein suchender Gott. Begonnen hat es mit der Schöpfung, als Gott den sich versteckenden Adam suchen geht: „Adam, wo bist du?" (Gen 3,9). Durch die Jahrtausende geht Gott wie ein suchender Pilger zu den Menschen, um das Verlorene zu suchen, bis er schließlich in Jesus Christus selbst gekommen ist, der seinen Lebensweg mit den Worten beschreibt: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist" (Lk 19,10). Im Gleichnis vom verlorenen Sohn stellt er sich als der suchende Vater vor; im Gleichnis von der verlorenen Drachme als die suchende Frau; und im Gleichnis vom verlorenen Schaf als der suchende Hirt. Unser Gott ist auf der Suche nach uns Menschen.

Der Stern von Bethlehem ist das Zeichen der suchenden Liebe Gottes. Das Dunkel der Nacht – die schwierigen Zeiten in unserem Leben, die Krisen, Krankheiten, Leiden, Sorgen – wird unterbrochen von der Helle des Sterns, dem Hoffnungszeichen. In der Gegenwart braucht es Sterndeuter als Menschen wie Du und ich, die sich auf die Suche machen. Es braucht Weise, die den suchenden Gott gerade in den dunklen Stunden sichtbar machen. Es braucht

Sterndeuter, die dieses Stern-Zeichen als Ausdruck der suchenden Sorge Gottes in das Heute übersetzen können: lösungsorientiert, zielführend, begleitend.

Dekan Sven van Meegen

Nach-denkliches zur Heiligen Nacht

„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, … Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ (Lk2. 10-13).

  • Im kleinen unscheinbaren Betlehem kommt das Kind an, nicht im Zentrum der Macht, damals Rom oder wenigstens dem Regierungssitz in Jerusalem.
  • Ein Stall am Rand der Stadt, nicht im prunkvollen Palst und öffentlichkeitswirksam platziert, spielt in dieser Nacht die Musik.
  • Engel öffnen den Himmel und nehmen die Furcht der Hirten wahr. Sie ermutigen gerade dort, wo es kalt und dunkel ist: Heute beginnt euer Heil.
  • Wenig angesehene Hirten und die fremden Gelehrten aus dem Orient erkennen die Zeichen der Zeit und machen sich auf den Weg.

So ganz anders macht sich Gott erlebbar. Bis heute berührt diese Nacht die Menschen weltweit. Erst lange nach dem Tod Jesu aufgeschrieben, erzählt sie von der Begeisterung für den Mann aus Nazareth, von seiner Nähe zu Gott, von der bedingungslosen Zuwendung zu allen Menschen, besonders denen am Rande der Gesellschaft. Sein Tod am Kreuz hatte alles in Frage gestellt. Doch Tod und der Schmerz behielten nicht das letzte Wort. In der Mitte der Nacht beginnt das neue Leben…! Diese Erfahrungen deuten sich schon in den Erzählungen von der Geburt dieses göttlichen Kindes an:
Im „Neugeborenen“ schaut der menschenfreundliche und zugewandte Gott alle Menschen zärtlich an. Jede und Jeder wird wahr-genommen, mit der je eigenen Not und den Sorgen genauso, wie mit dem Glück und den eigenen Fähigkeiten. In unseren dunklen Stunden und dort, wo uns Leben gelingt, sagt Gott Ja zu uns. „Fürchtet euch nicht!“
Diese Zusage ist Ermutigung in einer Zeit, in der Unsicherheit das Leben vieler Menschen prägt. Wie sehr wir gerade diese Hoffnungsbotschaft nötig haben ist überdeutlich. Die nicht enden wollende Pandemie, drohende Konflikte in der Ukraine, gestrandete Menschen an der Grenze zu Polen, …! Überall dort wo Dunkelheit herrscht, ermutigt das Lächeln des Neugeborenen. „Fürchtet euch nicht“ ist hineingesagt in diese Welt und unsere Herzen.

Elisabeth Redelstein, Pastoralreferentin in der Familienpastoral Heidenheim

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“

Im Brief des Apostels Paulus an die Philipper finden Sie im vierten Kapitel diesen klaren wie motivierenden Appell an die Christinnen und Christen in der damaligen Zeit. Freut euch im Herrn, das hören am dritten Advent ebenfalls alle, die es hören wollen, wieder neu und diese spirituelle Aufmunterung hat aktuell Gestaltungspotential.

Die mittlerweile eher selten verwendete lateinische Bezeichnung dieses dritten Adventssonntags mit „Gaudete“, stammt vom ersten Wort des lateinischen Eröffnungsverses „Gaudete in Domino semper!“ und bezieht sich so direkt auf den biblischen Kontext in Phil 4,4. Mit dem Adventssonntag „Gaudete“ beginnt die zweite Hälfte der Adventszeit. Das Ereignis, auf das der Advent final vorbereitet, rückt näher. Die Vorfreude auf die Geburt des Herrn verdichtet die Sonntagsliturgie nochmals im zweiten Teil des Eröffnungsverses und wir hören: „Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe“ (Phil 4,5).

Die einschlägigen liturgischen Werke verweisen darauf, dass an „Gaudete“ in der Liturgie die Farbe rosa zum Einsatz kommt. Rosa, das die sonst im Advent übliche Bußefarbe violett sichtbar aufhellt - bis hin zum bewussten Anzünden einer rosafarbenen Kerze am Adventskranz.

Ich kann nicht ermessen, wieweit ihr persönlicher Advent von den Motiven „Buße“, „Umkehr“ oder „Vorbereitung auf die Geburt Jesu“ geprägt ist, oder ob ihren Adventskranz die traditionell mit diesen Motiven verwobenen violetten Kerzen schmücken. Aber, da bin ich mir sicher, die meisten unter uns erleben den diesjährigen Advent wieder mit dem bedrängenden Ringen „um den richtigen Weg“. Den Weg aus der Corona-Krise, wie aus den rundherum entbrannten familiären und sozialen wie finanziellen und wirtschaftlichen Krisenfeuern. Die aktuelle Adventszeit wird durchzogen von der Herausforderung „Krise“ und nun der dritte Adventssonntag mit der - wohl auch herausfordernden - Aufmunterung „Freut euch!“ oder „Freu dich!“.

Die oben beschriebene liturgische Tradition, durchdrungen vom Impuls aus dem Philipperbrief, legt uns handlungsorientiert eine „Musterunterbrechung“ für den dringend notwendigen – vielleicht auch nur zeitlich begrenzten - „Stimmungswechsel“ ans Herz. Sie eröffnet einen Freudensonntag neben drei von Besinnlichkeit durchzogenen Adventssonntagen, stellt eine Lebensfarbe neben die Bußefarbe und ermutigt zur Freude gegen resignative Verbitterung.

Freu dich und fang bei dir im Herzen an. Schau dich ganz nahe und entfernter um, wo Freude wirklich gut tut. „Gaudete“ will Sie und mich befähigen, aus der Reserve zu gehen, Freuden-Konturen sichtbar zu machen, christlich geprägten Klartext zu reden wie mutig dazu zu stehen: Freut euch! Denn der Herr ist nahe.

Helmut G. Bertling, Kath. Schuldekan, Heidenheim

„Die Reise in Dein Herz“

Wieder kommt die Adventszeit, wieder die vielen Lichter, der Kerzenschein, wieder die vermehrte Hektik und das Treiben für „das große Fest“, wieder … NEIN, in diesem Jahr nicht wieder, denn nicht nur Corona macht uns da einen Strich durch die Rechnung.

Wie wäre es, wenn wir in all unserem äußeren Trubel und der geschäftigen Hektik und Betriebsamkeit unseren Herzen mal einen oder mehrere Augenblicke der Ruhe, der Stille, des Ankommens bei uns selbst gönnen? Wie wäre es, wenn wir uns in diesem Jahr im Advent mal auf das wirklich Wichtige besinnen: den Menschen neben mir? Wie wäre es, wenn uns in diesem Menschen JESUS so nahe kommt, dass wir IHN anfassen können und ER uns auch berührt, vielleicht sogar im Herzen? Wie wäre es … wenn es in diesem Jahr doch mal anders wird als in jedem Jahr?

In den Lesungen am ersten Adventssonntag wird uns beim Propheten Jeremia auf der einen Seite Hoffnung gemacht auf Rettung und Heil: da kommt jemand, der dich retten und in Sicherheit wiegen will (ich durfte es in dieser Zeit schon mehrfach erfahren)! Dann wird uns eine mit guten Wünschen verbundene Anleitung gegeben (in der zweiten Lesung des Apostels Paulus), wie wir uns auf diesen Heiland vorbereiten können. Und schließlich sagt uns JESUS, der Heiland, selbst im Evangelium das Kommende voraus und will uns vorbereiten auf Seine Wiederkunft am Ende der Zeiten.

Was haben wir zu verlieren in Zeiten einer Pandemie? Auf IHN allein sollten wir all unser Vertrauen setzen, ER wird es nicht enttäuschen, denn ER liebt uns, jeden einzelnen unendlich. Davon können so viele Menschen Zeugnis geben, dass es einfach wahr sein muss! Machen wir uns also auf den Weg zum Mittelpunkt unseres Seins, in unser Herz hinein und geben JESUS dort den Raum, den ER zu unserem Heil haben möchte.

Viel Erfolg bei dieser Reise wünscht ganz herzlich und erbittet Ihnen Diakon Andreas Häußler

Schwerter zu Pflugscharen

Als ich vergangenen Sommer in Leipzig war, hat es mich sehr beeindruckt, wie Zeitzeugen der friedlichen Revolution in der Nikolaikirche von den Ereignissen im Jahr 1989 erzählten. Wie sie sich damals Montag für Montag trafen, um sich auszutauschen und um Frieden und Versöhnung zu beten. Mit Kerzen in den Händen versammelten sich immer mehr Menschen auf dem Platz vor der Kirche, umrundet von Polizei, mit Gewehren im Anschlag. Noch heute, über 30 Jahre später, erzählen sie mit leuchtenden Augen und bewegten Herzen von ihren Erlebnissen, so dass wir als Zuhörerinnen in den Bann der Geschehnisse mit hineingezogen wurden, wie bei den Worten des damaligen Vorsitzenden des DDR-Ministerrats Horst Sindermann, der später sagte: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht.“ Der Schießbefehl auf 70000 Menschen blieb aus, die Revolution verlief friedlich.

Am morgigen Volkstrauertag denken wir an all die Kriege und kriegerischen Auseinandersetzungen, die nicht so friedlich verliefen und auch heute noch auf unserer Welt toben. Wie viel unsagbares Leid brachten die Weltkriege unzähligen Menschen? Wenn wir heute daran denken, dann auch mit dem Blick darauf, wo wir in dieser Zeit  aufgerufen sind, uns einzusetzen für mehr Gerechtigkeit und Ausgleich, für Frieden und Versöhnung, für das Leben von Menschen, die vor Hass und Gewalt fliehen. So viele Flüchtlingsströme wie noch nie sind unterwegs. Jeder und jede einzelne mit einer Hoffnung im Herzen auf eine bessere Zukunft. So war es wohl auch damals in Kriegszeiten in Deutschland, wie das immer noch beeindruckende vertonte Gedicht des jüdischen Religionswissenschaftlers Shalom Ben Chorin beschreibt: “Freunde, dass der Mandelzweig wieder Blüten treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“ In der Nikolaikirche wird nach wie vor jeden Montag für den Frieden gebetet und ein großes Plakat: „Schwerter zu Pflugscharen“ steht immer noch im Altarraum. Diese Vision des Propheten Micha ist auch heute noch genauso aktuell wie vor 2500 Jahren, als sie niedergeschrieben wurde, wie vor 75 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vor über 30 Jahren als die Mauer in Deutschland fiel. So mag es auch ein Hoffnungszeichen sein, wenn sich morgen Christen aller Konfessionen und Menschen aller Religionen und Weltanschauungen an die unzähligen Opfer der Kriege erinnern und dabei betend dafür einstehen, dass in unserer Welt immer mehr Schwerter zu Pflugscharen werden.

Beate Limberger, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz

Weltuntergang

Alle paar Jahre kommt irgendwer mit dem Aufreger, der Weltuntergang stehe kurz bevor.

Verschwörungstheorien, Spekulationen und Nervenkitzler machen ihre Geschäfte und finden jedes Mal viel zu viele Leute, die auf sie abfahren. Dann kommt das vorhergesagte Datum, nichts passiert, die falschen Propheten haben sich längst verkrümelt und die Reingefallenen finden sich im ganz normalen Alltag wieder.

Jesus ermutigt uns Menschen gerade in den Texten der Bibel, die am Ende des Kirchenjahres gelesen werden dazu, uns nicht von der Verschwörungs- und Weltuntergangs-Hysterie durcheinanderbringen zu lassen: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich! (Joh 14,1)Es ist sogar typisch für uns Christen, dass wir uns von dieser Angstmache nicht ins Bockshorn jagen lassen. Warum? Weil wir wissen: Den Tag und die Stunde kann niemand kennen. Nur Gott!

Ähnlich verhält es sich mit dem Tod. Über 75% der Deutschen möchten ihren Todestag nicht kennen. Der persönliche Weltuntergang, unser Tod, ist dennoch etwas, was ganz sicher kommen wird. Wie bereiten wir uns darauf vor? Oder anders gefragt: warum bereiten sich so wenige darauf vor?Jeder Mensch kann bestimmte Zeichen deuten. Sie kündigen, je deutlicher sie werden, das nahende Ende an. Nicht mit Datum, nicht so, dass das Ende wie ein Dieb in der Nacht kommt (vgl. Mt 24,43; Lk 12,39), aber etwa in der Art einer Diagnose. Jesus gebraucht ein weniger dramatisches Bild. Wenn die Bäume ausschlagen, sagt er, wisst ihr, dass der Sommer bevorsteht, und stellt euch darauf ein (Mt 24,32; Mk 13,28; Lk 21,30). Übertragen bedeutet das: Alles ist in Entwicklung. Die Zeit bleibt nicht stehen. Irgendwann ist Schluss, und der Schluss kommt immer näher.Über 76% der Menschen möchten auf jeden Fall alles geregelt haben was mit dem Erbe und der Bestattung zu tun hat. Aber fragen wir doch die Menschen selbst, die direkt vor dem Tod stehen. Die bekannte Elisabeth Kübler-Ross hat das ja getan. Unter den fünf Dingen, die Sterbende am meisten bedauern sind z.B.: 

„Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben." Und:

 „Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein".

Interessant auch: Über 55% möchten sich mit denen versöhnen, mit denen sie Streit haben. Genau das legt uns auch Jesus besonders ans Herz in seinen zahlreichen Gleichnissen: eine gute Vorbereitung auf den Tod, Versöhnung (mit Gott, den Nächsten, mit sich selbst), den eigenen Weg zu gehen um glücklich zu werden. Gott zu suchen und zu finden in den kleinen und großen Zeichen. Wir Menschen träumen, denken, reden und handeln leider nur in zwei Dimensionen: in Raum und Zeit. Deshalb mahnt der Galaterbrief (6,9f.): „Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun; denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist. Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun…“. In der Vorbereitung auf den Tod spielt die „Lebensernte“ eine wichtige Rolle. Was wird man wohl einmal über mich sagen? Gerade deshalb sollen wir die uns anvertrauten Räume so nützen, dass sie auch kommenden Generationen zur Verfügung stehen und die Zeit so, dass auch Fernstehende einen Platz haben: „Seid weise im Umgang mit den Außenstehenden, nutzt die Zeit! (Kol,4,5)

Wie geht es dann weiter hinter dem Horizont, der Tür, der Brücke, nach dem Tod?

Am Ende des Johannes-Evangeliums steht ein Satz, der für mich geradezu die Trost- und Zukunftsdimension ausdrückt. Ich verstehe ihn so:  Wir werden uns wiedersehen. Und diese Freude kann uns dann niemand mehr nehmen (vgl. Joh 16,22).

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen

Positive Überraschung

Bald ist es soweit, dann darf ich eine freiwillige Verpflichtung einlösen: „Bringe einmal im November dem Brautpaar frische Sonntagsbrötchen“. Bei einer Hochzeitsfeier im September habe ich diese Karte im Rahmen einer „Reise nach Jerusalem“ gezogen. Es gibt Schlimmeres… Ich finde es eine originelle Idee, den frisch Verheirateten Monat für Monat zu zeigen, dass ganz unterschiedliche Menschen an sie denken und ihnen etwas Gutes tun möchten. Mal mehr mal weniger aufwändig, aber immer herzlich und das ein ganzes Jahr lang. Menschen in Verbindung zu bringen und dabei den Kreis nicht zu klein zu ziehen – das wäre doch ein guter Vorsatz gerade jetzt, wenn man sich vermehrt in die eigene Wohnung zurückzieht. Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger, aber auch die Möglichkeiten der Begegnung in Präsenz – gottlob! – immer häufiger werden.

„Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun!“ (Gal 6,9) heißt das Motto des diesjährigen „Sonntags der Weltmission“, den die katholischen Kirchengemeinden am 24. Oktober begehen. Als Beispielland wird Nigeria angeführt, wo sich ein christlich geprägter Süden und ein muslimisch bestimmter Norden nicht immer freundlich gegenüberstehen. Doch gerade dort entstehen interreligiöse Initiativen, wollen sich immer weniger Menschen gegeneinander aufbringen lassen. Im Geist des Dialogs und Zusammenhaltes wird Gutes gesät, damit eine bessere Zukunft aufblühen kann. Man sollte mit allem rechnen, sagt ein geflügeltes Wort, auch mit dem Erfolg des Guten!

Wir können dabei voll auf Jesus setzen, wie es im Johannesevangelium, Kapitel 2 berichtet wird: Bevor sich die Feststimmung der Hochzeitsgäste in Kana zu sehr eintrübte, verwandelte er sage und schreibe 600 l Wasser in besten Wein! Haben wir Mut, andere positiv zu überraschen! Ein russisches Sprichwort sagt: „Bei einem Freund trank ich Wasser, und siehe – es schmeckte wie Wein!

Gerne werde ich den versprochenen Lieferdienst gebührend besorgen; nur wähle ich als Pfarrer doch lieber den Samstagmorgen…

Pf. Dietmar Krieg, Schnaitheim

Hosentaschensegen to go

Es gibt Begegnungen, vor denen ich mich gerne drücken würde. Wenn zum Beispiel ein Gespräch ansteht, das schwierig werden könnte und bei dem ich nicht so recht weiß, wie der Gesprächspartner reagieren wird.

In solch einer Situation packe ich manchmal meinen "Hosentaschensegen" aus. Er heißt so, weil man ihn immer dabeihaben kann: Ich zeichne mit dem Daumen ein kleines Kreuz in die Handinnenfläche. Dabei denke ich an die Person, der ich gleich begegnen werde. Ich schicke meinem Gegenüber den Segen Gottes entgegen, ich sage ihm etwas Gutes zu. Dieses kurze Innehalten lässt mich einen Moment zur Ruhe kommen und nimmt mir etwas von meinem Aufgewühlt-Sein. Dadurch kann ich dann anders in das Gespräch gehen, weil es meine Haltung verändert.

Auch wenn ich in der Klinik jemanden besuche, der einen schweren Weg vor sich hat, zeichne ich manchmal das Kreuz in meine Hand, verbunden mit einem stillen Wunsch für diesen Menschen.

Ab und zu brauche ich dieses kleine Segenszeichen auch für mich selbst. Wenn ich das Gefühl habe, dass sich in mir dunkle Wolken auftun, dann hilft mir manchmal auch mein kleiner Segen: "Du bist gesegnet. Ein Segen bist du." So ähnlich steht es auch in Gen 12,2: Hier sagt Gott zu Abraham: "Ich will dich segnen und ein Segen sollst du sein."

Segnen heißt auf lateinisch: "benedicere", wörtlich übersetzt: "gut sagen". Gott sagt uns Gutes zu - und das können wir weitergeben, indem wir Segen aussprechen oder im Stillen denken. So kann Segen einen Hoffnungsschimmer schenken, trösten, Mut machen oder eben auch Frieden stiften, in mir drin und mit anderen.

Wie schön, dass dieser kleine Segen immer dort ist, wo ich ihn für mich oder für andere brauche, weil er mitgeht - "to go" eben.

Lydia Hageloch, Klinikseelsorgerin im Klinikum Heidenheim und Religionslehrerin am Hellenstein-Gymnasium

 

Welches „Jetzt“ wollen wir leben?

so stand es auf einem Plakat, das lange Zeit am Stuttgarter Schauspielhaus hing. Dabei stehen doch die Fragen nach der Zukunft unübersehbar im Vordergrund unserer Aufmerksamkeit: Wie stark betrifft uns die Klimakatastrophe in der Zukunft? Welche Länder und Menschen stehen vor einer düsteren Zukunft und in welchen Regionen können Menschen zukünftig gut und sicher leben? Von welchen gesellschaftlichen Werten, Wirtschaftsformen und allgemeinen Verhaltensweisen müssen wir Bewohner*innen dieser Erde uns verabschieden, damit dieser Planet ein gemeinsames Haus für alle bleiben kann? Ist unsere liberale, marktwirtschaftliche Konkurrenzgesellschaft, des immer schneller, Weiter und Mehr ein Garant für eine gute Zukunft? Diese Fragen sind wichtig, aber mein und unser Leben in der Gegenwart entscheidet doch, wie unsere Zukunft aussehen wird.

„Anders leben, damit andere überleben“ hieß vor 50 Jahren ein Slogan des kirchlichen Hilfswerk MISEREOR. Schon damals lag es in der Luft. Heute ist es offensichtlich. Unser „Jetzt“ muss ein anderes werden, wenn allen auf dieser Erde ein halbwegs gutes Leben ermöglich werden soll. Es geht darum, dass wir im globalen Norden und Westen, endlich erwachsen mit unseren Freiheiten umgehen. Dass wir frei werden, Dinge nicht zu tun, weil sie auf Kosten anderer Menschen oder auf Kosten anderer Lebewesen gehen. Und Dinge zu tun, die uns und unser gemeinsames Haus auf diesem Planeten weiterbringen.

Die Fragen an unsere Zukunft müssen nicht unser Leben im „Jetzt“ belasten. Die Frage: Welches „Jetzt“ wollen wir leben? kann uns auch von Zukunftsängsten befreien: „Nur für heute…“, beginnen die Gebote der Gelassenheit, die Papst Johannes XXIII einmal formuliert hat. Diese Haltungen der Gelassenheit, Besonnenheit und des Vertrauens konnten wir in vergangenen Pandemiezeiten lernen und anwenden. Bewahren wir diese guten Erfahrungen, damit wir auch gelassen und verantwortungsvoll auf die Fragen, die uns das Leben heute stellt, antworten.

Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist. Und ich werde an die Güte glauben. (Johannes XXIII)

Gabriele Holland-Junge, Caritas im Lebensraum Heidenheim

Versöhnung feiern

Wenn die Sonne am Mittwochabend (15.09.) untergeht, begehen Jüdinnen und Juden weltweit ihren höchsten religiösen Feiertag: „Jom Kippur“. Beendet wird dieser „Tag der Versöhnung“ Donnerstagnacht durch einen langgezogenen Ton aus dem Schofar, einem Widderhorn. Jom Kippur ist Höhepunkt einer zehntägigen Zeit der Umkehr, die dem jüdischen Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“ folgt. In dieser Zeit sind die Menschen dazu aufgerufen, all jene um Verzeihung zu bitten, die man verletzt hat. Dahinter steht der Gedanke: Nur durch die Versöhnung mit den Mitmenschen, kann die Versöhnung mit Gott gelingen.

Jom Kippur heißt wörtlich übersetzt „Tag der Bedeckung“. Es ist der Tag, an dem Gott jenen, die aufrichtig bereuen, die Sünden vergibt und diese bedeckt. Laut jüdischer Tradition hält Gott die Taten der Menschen in drei unterschiedlichen Büchern fest: Eines für gute, eines für schlechte und eines für durchschnittliche Menschen. Vom Neujahrsfest an stehen diese Bücher offen, bevor sie wieder versiegelt werden. In der Zeit der offenen Bücher besteht die Gelegenheit, ins Buch der guten Menschen aufgenommen zu werden. Juden wünschen sich daher an Jom Kippur „Gutes Eintragen!“, hebräisch „Chatima tova!“ Um sich auf die Umkehr konzentrieren zu können, ist es ihnen an Jom Kippur verboten, zu essen und zu trinken, sich zu waschen, Geschlechtsverkehr zu haben, Parfum zu benutzen, lederne Schuhe und Schmuck zu tragen - Schwangere, Kranke und Kinder sind vom Fasten ausgenommen. Beinahe den ganzen Tag über halten sich Juden und Jüdinnen in der Synagoge auf. Das Gedenken an die Verstorbenen und das Wissen um die eigene Vergänglichkeit spielt eine wichtige Rolle. Streng Religiöse tragen ein weißes Hemd, in dem sie sich später einmal begraben lassen.

„Versöhnung zu feiern“ und „einen Neuanfang geschenkt zu bekommen“, das sind gute Gedanken, denen man nachgehen kann - unabhängig davon, ob man das Jahr 5782 oder das Jahr 2021 zählt.

Carmen Hepp, Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung Kreis Heidenheim

 

Zum Plakat anbei:

Anlässlich zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ regt die ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise – jüdisch und christlich: näher als du denkst“ dazu an, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. www.juedisch-bezeihungsweise-christlich.de

Die Macht der Dunklen Gottesbilder

Afghanistan fällt in die Hände gläubiger Männer, die bereit sind, für ihr Gottesbild zu kämpfen – und zwar mit der Waffe und gegen wehrlose Männer, Frauen und Kinder. Soldaten, die sich wehrlos ergeben, werden abgeschossen. Mit schwarzen Listen wird nach vermeintlich Abtrünnigen gesucht. Und zwölfjärige Mädchen werden verheiratet und sexuell missbraucht.

Afghanistan ist ein Warnsignal, wie zerstörerisch und herzlos Religion interpretiert werden kann, eine Erinnerung, immer wieder zu reflektieren: Welches Gottesbild predige ich mit meinen Worten und Taten, aus welchem Gottesbild – und damit auch Menschenbild - lebe und handle ich? An „Gott“ zu glauben reicht nicht. Wir müssen uns der Frage nach dem „Bild“ Gottes in diesem Glauben und seinen Folgen stellen. Gottesbild und Handeln - contemplatio und actio - hängen untrennbar zusammen.

Jesus Christus ist eindeutig: Der nahe Gott ist ein friedliebender, Gewalt ablehnender Geist des Friedens und Barmherzigkeit. Manchmal ist es schwer, Grenzen zu ziehen: Wo fängt Gewalt an, wo hört z.B. Notwehr auf. Aber sich auf „Gott“ zu beziehen, wenn man Menschen unterdrückt, einsperrt, quält und tötet ist nicht vereinbar mit dem Gott Jesu Christi und dem Neuen Testament. Seine Gewaltlosigkeit und sein Tod sind eine klare Botschaft.

Für Gott ist der Krieg der Taliban (und derer, die ähnlich handeln gleich welcher Religion) ein Gräuel. Das deutlich zu sagen, ist nötig. Es ist nicht nur eine Sache der Politik – es ist auch und besonders die Sache der Gottliebenden aller Religionen und sollte neben der Kritik an den Schwächen der politisch Verantwortlichen ebenfalls deutlich und laut zum Ausdruck kommen. Gott steht auf der Seite der Unterdrückten - und das betrifft in Afghanistan wie auch sonst in der Welt besonders Mädchen und Frauen – aber darüber hinaus alle Gequälten und Unterdrückten, unabhängig von ihrer Religion, Geschlecht oder Herkunft.

 

Gabriele Kraatz

Dekanatsreferentin im Katholischen Dekanat Heidenheim

Erinnerung für uns Heutige

Der 20. Juli ist gerade vor wenigen Tagen zu Ende gegangen; einige werden denken:
War denn da was?

Ja, am 20. Juli 1944 versuchte eine Gruppe von aufrechten und gewissenhaften Christen, Helmuth James Graf von Moltke, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, den Tyrannen Hitler und damit sein gewissenloses Regime aus dem Weg zu räumen und einem anderen und neuen Deutschland die Wege zu öffnen.

Der Anschlag misslang, der „Führer“ blieb am Leben. Schnell wurden die „Verschwörer“ und Verbindungsleute verhaftet; man spricht von 4980 Hingerichteten. Einzelne hob sich das Regime für später auf, so den 38-jährigen Jesuitenpater Alfred Delp für Februar 1945 und den 39-jährigen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer für den April 1945.

20. Juli 1944, hast Du uns Heutigen etwas zu sagen?

Sind unsere derzeitigen Fragen und Unsicherheiten nicht naheliegender und drängender?

Der 20. Juli ist ein Aufstand des christlichen Gewissens: Der Mensch ist zur Freiheit berufen. Der Mensch hat eine Verantwortung vor Gott. Der Mensch darf nicht „gleichgeschaltet“ werden, wie es die braune Diktatur in unserem Land gehandhabt hatte.

Rassenwahn darf nicht sein; es gibt keine Untermenschen und auch keine Herrenmenschen.

Auch Behinderte haben ein Recht auf Leben. Euthanasie ist ein Unwort!

Wenn wir uns dieses Vermächtnis des 20. Juli 1944 zu Herzen nehmen, dann spüren wir auch: Es ist aktuell!

Das Lebenszeugnis und Freiheitszeugnis und Gewissenszeugnis dieser Menschen dürfen wir nicht in die Rumpelkammer einer vermeintlich verstaubten Geschichte verweisen und mit dem Schlüssel der Gleichgültigkeit abschließen.

Auch die Männer und Frauen gleichen gewissenhaften Geistes aus jener Zeit wie Sophie und Hans Scholl, Christoph Probst und Alexander Schmorell von der „Weißen Rose“, Domprobst Bernhard Lichtenberg, Georg Elser, Franz Jägerstetter, Staatspräsident a. D. Eugen Bolz und die Karmelitin Edith Stein mahnen uns in der heutigen Zeit:     


                                        Mensch, Du bist ein Ebenbild Gottes

                                        Mensch, Du bist von Gott zur Freiheit gerufen

                                        Mensch, höre auf die Stimme deines Gewissens

                                        Christ, achte auf die Stimme deines Herrn
                                        Einer ist euer Meister, Ihr alle aber seid Brüder und Schwestern (Mt. 23,8)

Von der Karmelitin, Edith Stein, die wegen jüdischer Abstammung nach Ausschwitz deportiert wurde, stammen folgende Verse,( in Anlehnung an Psalm 61):

Erhör, o Gott, mein Flehen,
hab auf mein Beten Acht.

Du sahst von fern mich stehen,
ich rief aus dunkler Nacht.
Auf eines Felsens Höhe,
erheb mich gnädiglich.
Auf Dich ich hoffend sehe:
Du lenkst und leitest mich.


Mein Bitten hast erhöret,
mein Gott, in Gnaden Du.
Wer Deinen Namen ehret,
dem fällt dein Erbe zu .
So schenke langes Leben
dem, der sich Dir geweiht;
wollst Jahr um Jahr ihm geben,
ihn segnen allezeit.
 

Vor Gottes Angesichte
steh er in Ewigkeit.
Es wird ja nie zunichte
des Herrn Barmherzigkeit.
So will Dein Lied ich singen,
wie ich es Dir versprach,
mein Lobesopfer bringen
von Neuem Tag um Tag.
(Gotteslob 439)

 

Pfarrer Rolf Oster, Heidenheim

Ja, aber...

Was befähigt uns, Krisen – wie die Coronakrise oder persönliche Lebenskrisen – zu bewältigen? Neudeutsch spricht man da von „Resilienzfaktoren“. Diese bezeichnen Erfahrungen oder Fähigkeiten, Widerstand gegen zerstörende Einflüsse von außen oder innen zu leisten, vielleicht sogar gestärkt daraus hervorzugehen - z.B. gute Beziehungserfahrungen oder Charaktereigenschaften, soziale Netze, Transzendenzerfahrungen. Es ist ungemein wichtig, Kindern z.B. vielfältige Erfahrungen von Unterstützung, Wärme und Geborgenheit, Herausforderungen (Ich schaffe das!) und Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Alles Resilienzfaktoren, die sich später „auszahlen“.

Auch der Glaube an einen menschenfreundlichen Gott ist ein Faktor, der uns in Krisen stärken kann. Der Glaube an einen Gott, der meine Entfaltung will, der will, dass es Ihnen und mir gut geht, wir genug zum Leben haben und ganz und gar gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Herrschaft steht. Jesus Christus erzählt uns von diesem Gott als einem nahen, mutmachenden Gott, der uns aufruft, „Ja“ zum Leben zu sagen, zusammenzustehen und dem Einzelnen seine Würde, Freiheit und sein Glück zu gönnen. Unser Glaube kann helfen, besser im Leben klar zu kommen, auch wenn es einen Tiefpunkt gibt: „aufstehen „Krönchen zurechtrücken“, weitergehen“.

Darauf zu vertrauen und danach zu leben, ist aber manchmal nicht einfach, wie wir alle wissen.

In der Bibel finden wir dafür praktische Anleitungen, eine davon möchte ich Ihnen heute mitgeben: Dort wird der Teufel „Aber-Geist“ genannt…und schon sind wir mitten im Leben der kleinen Alltags-Teufelchen: „Sie hat es gut gemacht…aber, der Urlaub war schön…aber…ein schönes Fest…aber“ - oft mehr im Kopf, unausgesprochen anwesend in der inneren Haltung der Einschränkung, der Bewertung. Gott bewertet nicht! Verzichten wir wo immer möglich auf das ewige „Aber“, wenn es sein muss, sagen wir „und“.

Mit Muße und Entspannung fällt uns das im Sommer auch leichter: „Lass das „aber“ – und genieße das Gute und Schöne, wovon es reichlich gibt!“. Ihnen eine rundum schöne Zeit!

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin Heidenheim

Lieblingsblumen

Lieblingsblumen

Ich freue mich immer besonders auf den Juni, da beginnt die Zeit der Rosenblüte. Sie gehört zu meinen Lieblingsblumen. Ich finde, egal ob es eine Wildrosen ist oder eine dicht gefüllte Zierrose, jede strahlt auf ihre Art und Weise. Ich mag die Sanftheit der Blüte, ihren Duft und ihre Vielfältigkeit. Manche Rosen bringen uns und den Tieren reiche Nahrung und Frucht. Andere erfreuen unser Auge. Rosen haben schon seit jeher eine tiefe Bedeutung und werden gerne hergeschenkt, um dem anderen zu zeigen, was er einem bedeutet. Sie sind ein Symbol der Liebe und Hingabe.

Für mich stehen Rosen für Robustheit. Jeder, der schon einmal versucht hat, eine Rose umzusetzen weiß, wieviel Kraft und Schweiß dies erfordert. Tief in die Erde sind ihre Wurzeln verankert, um auch in regenarmen Zeiten an Wasser zu kommen. An den Stielen können sich starke Stacheln befinden. Manche Rosen haben fast keine, andere sind davon übersäht. Wer nicht aufpasst, kann sich doch ordentlich verletzen. Die Stacheln dienen zum Schutz vor Fressfeinde und als Halt zum Klettern an einem Gerüst.

Auch in der Bibel wird von der Rose geschrieben. In Jesus Sirach 39,17 lautet es …“ihr werdet wachsen wie die Rosen, an den Bächen gepflanzt“.  Für mich bedeutet dieser Vers, dass wenn wir im Leben tief verwurzelt sind, auch in schweren Zeiten Kraft schöpfen können. Aus dem Wasser, an dem unsere Wurzeln gestärkt werden. Das können unterschiedliche Verwurzelungen sein. Für mich ist es mein Glaube und meine Familie, die mich durch den Alltag tragen. Gerade in dieser besonderen Zeit, wo so viel durcheinandergeraten ist und manches schwer zu verstehe ist, tut es mir gut, immer wieder inne zu halten und zu schauen, wo und wie ich verwurzelt bin. Daraus schöpfe ich Kraft für den Alltag und kann dadurch auch anderen von meiner gewonnen Stärke weitergeben.

Mirjam Dorr, Gemeindereferentin der SE Gerstetten-Steinheim

Wohin möchte ich wachsen?

Masada ist eine ehemalige Wüstenfestung des Königs Herodes in Israel. Archäologen haben dort in einem Tongefäß einige Datteln gefunden. Nachdem diese viele Jahre in einer Universität lagen, fanden die Forscher schließlich den Mut drei davon einzupflanzen. Tatsächlich hat einer der rund 2000 Jahre alten Samen ausgetrieben. Die Dattelpalme, die er hervorbrachte ist heute mehrere Meter hoch. Es ist doch erstaunlich, welche Möglichkeiten in einem kleinen Samen stecken. Dabei kommt mir das Gleichnis vom Senfkorn in den Sinn. „…das Senfkorn ist das kleineste von allen Samenkörner, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse…“ (Mk 31-32). So erzählt es Jesus im Markusevangelium. In jedes Samenkorn hat Gott das Potential zu etwas ganz Großem hineingelegt. Es brauch nur die richtigen Rahmenbedingungen um wachsen zu können. Und wenn Gott die kleinen Samenkörner schon so ausgestattet hat, was hat er dann in sein Ebenbild, den Menschen alles hineingelegt? Überlegen sie doch mal, was für Talente und Fähigkeiten sie haben, die bisher vielleicht noch unentdeckt sind. Und welche Rahmenbedingungen würden sie brauchen, um dieses Potential zu entfalten? Wie reich wäre doch unser Leben, wenn all das sprießen und wachsen könnte? Aber wir dürfen dabei nicht nur an uns selbst denken, sondern vielmehr auch an die Menschen, die Gott uns anvertraut hat. Es ist doch unsere Aufgabe für sie die passenden Bedingungen zu schaffen, dass sie alles entfalten können, was in ihnen steckt. In erster Linie gilt das natürlich für unserer Kinder, Enkel und Schüler. Aber nicht nur junge Menschen brauchen Freiräume, Förderung und Gestaltungsmöglichkeiten. Auch aus einer zweitausend Jahre alten Dattel kann noch eine wunderschöne Palme wachsen.

Martin Saur. Vikar Heidenheim

Fronleichnam 2021

An diesem Feiertag tragen wir Jesus Christus in der Gestalt von Brot in der Hostie durch die Straßen unserer Städte und Dörfer. Und es ist auch umgekehrt: Jesus Christus trägt uns durch die Straßen unseres Lebens: Tragen und getragen werden von Gott selbst. Wir tragen ihn, in unserem Leben, wenn wir zu unserem Glauben stehen. Wenn wir die Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Versöhnung leben. Er trägt uns, wenn wir nicht mehr weiterkönnen und nicht wissen wie es weitergehen soll. Sogar vom Tod zum Leben! In kleinen und großen Zeichen gibt Jesus uns Wegweiser auf unserem Lebensweg. Wir tragen Gott in der Form des Brotes durch unser Leben. „Unser tägliches Brot gib uns heute“, lehrt er uns beten. Wir ahnen schon, dass mit dem Brot mehr gemeint ist als das, was aus der Backstube kommt. Brot steht für das, was der Mensch zum Leben braucht. Ein gutes Wort, ein bisschen Anerkennung, geteiltes Leid, geteilte Sorge braucht der Mensch – das ist das tägliche Brot, nach dem er mindestens genauso hungert wie nach einem Magenfüller. Gott sorgt für uns durch seinen Sohn Jesus Christus, sagt die Brotvermehrung. Dem einen Menschen knurrt der Magen, dem anderen knurrt das Herz. Gott weiß uns durch den Segen an Fronleichnam zu geben, was wir brauchen.

Es gibt Zeit, die wir teilen können, es gibt Wissen, das wir teilen können, es gibt Erfahrung, es gibt Besitz, es gibt Freude, die wir teilen können. Was wir teilen, macht uns nicht ärmer, sondern reicher. Es erfüllt uns, und ob wir „erfüllt uns“ sagen oder „sättigt uns“ ist dasselbe.

Christen nehmen einander das Leben nicht weg, wir geben es füreinander her!

Gerade die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen wieder die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. Es geht um die Frage: Was erfüllt uns? Was füllt uns Menschen so aus, dass wir sagen können: Ich habe ein erfülltes Leben!? Ich habe etwas, das meinem Leben Inhalt gibt. Wenn ich das habe, werden die anderen Dinge zweitrangig. Letztlich lebe ich vom Lebenssinn und nicht von der Lebensversicherung. Gehört hierher nicht das Wort Jesu: „Euch muss es zuerst um das Reich Gottes gehen und um seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“? (Mt 6,33). Mit anderen Worten: Wenn du etwas hast, wofür du dein Leben einsetzt, hast du das Leben gewonnen.

Der Segen mit dem Allerheiligsten an Fronleichnam beginnt mit dem Satz: „Brot vom Himmel hast du ihnen gegeben.“ Brot vom Himmel ist das Bild für das, was mein Leben ausfüllt. Hinter was muss ich her sein, damit ich ein erfülltes Leben habe? Das Rätselwort Jesu „Es ist meine Speise, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34) ist gar nicht so rätselhaft, wie es sich zunächst anhört. Hat man etwas, wofür man lebt, kann es losgehen mit dem Leben. Hat man nichts, wofür man lebt, läuft das Leben wie in einer Sackgasse, wie auf ein Nichts zu. Fronleichnam ist die christliche Demonstration für das Leben, das einen Sinn hat weil Gott uns trägt und wir ihn durch unser Leben tragen dürfen.

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen.

Pfengschdgedanka (im Bibeltext frei nach Rudolf Paul, Mundartpfarrer, + 1.4.2021)

Desjohr freu i mi bsonders auf Pfengschda  – no seh i manche Gsichter aus meira Gmoind zom ersta Mol seit langem wiedr en dr Kirch. Des leit jetzt net an dodra, dass des bloß Feiertagschrista wäret – noi, des leit an de Inzidenzzahla, dia 5 (in Worten: feif!) Wocha lang über 200 gleaga send. Ond desdrweaga hätt ma sich sonntegs dussa vrsammla müassa ond des isch net jedem gleaga ond ’s Weattr war seither ao eher nasskalt als gmüatlich. Ond dia Fernseh-Gottesdienst send ao recht guat gmacht. Mei Schwoger hot scho gmoint, i sei en Kurzarbeit, wenn i do so am hella Samstagobed no Zeit hätt zom-a Bsüachle…

So aber hot dr Heilige Geischt dia Gmüater ao bei ohs zur rechta Zeit erleuchtet ond se hent sich gottlob zsammagrissa, dass ma wiedr gemeinsam Gottesdienst feira ka an dr Kirch mit dr Pfengschdgschicht.

Do dren stoht: Diea Jenger ond Jengerinna Jesu hent sich noch seim Abschied ällsmohl troffa, vrmutlich em-a Nebazemmer von-ra Wirtschaft ond do hent se gsonga ond beatet ond dr oi oder ander hot drvo vrzählt, wia des do war mit-m Jesus. Uff oimohl aber fangt des a zom Brausa wia bei-ma gewaltiga Gwitter ond wia se sich gegaseitig agucket, hent se Feuerzonga uf-em Kopf ghett, grad so wia heutztag bei manche jonge Leut mit ihre hochgschdailte Frisura. Des war aber dr Heilige Geischt! Ond der hot se drzua brocht, dass se zmohl en älle megliche Sprocha hent schwätza kenna.

En Jerusalem waret grad fromme Leut aus älle Herra Länder versammlet. Dia hent sich gwonderet ond zuanander gsait: „Send dia net älle von Galiäa ra? Wia ka des sei, dass mir dia en oser oigana Sproch vrzähla hairet, was Gott älles für os doa hot?“ Andere hent romgspottet ond gsait: „Dia hent wohl a Viertele zviel en dr Birn!“

Wer jetzat wissa will, was do drah isch, braucht bloß an Pfengschda en d‘ Kirch ganga. A guata Andacht ällerseits – ond viel Freud beim Wiederseha!

Pfarrer Dietmar Krieg, Schnaitheim

Anstrengende Zeiten

Die Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten haben es für die Jünger Jesu in sich – so wie es diese Zeiten der Pandemie in sich haben. Erst hatten sie zum Glauben kommen müssen: Er lebt!
Dann hatte er ihnen aufgetragen: Allen Völkern muss die Botschaft von Rettung und Erlösung verkündet werden. Sie, die Apostel und Jünger sollen seine Zeugen sein. Eine Hilfe wird es geben: Sie werden mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werden. Er nennt die Kraft aus der Höhe den Parakleten, lateinisch Advocatus (=Rechtsbeistand, Anwalt). Dann führt er sie hinaus in Bethanien. Dort segnet er sie und wird zum Himmel emporgehoben. (Lk 24, 46-53)

Und jetzt? Jetzt sind sie auf sich selbst gestellt. Sie haben sich zwar etwas gefangen. Aber wie soll es weitergehen? Wann und wie wird die Kraft aus der Höhe sie erfüllen? Alles klar? Nichts ist klar!

Sie kehren zurück in die Stadt. Die Apostelgeschichte berichtet: Sie gingen in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Philippus und Thomas, ….
Sie alle verharrten einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.“ (Apg 1, 12-14)
Das Gebet ist jetzt die geistliche Kraftnahrung, das Gebet hilft ihnen, sich in dieser anstrengenden Zeit zu orientieren und auszurichten. Im Gebet machen sich Betende fest in Gott. Sie schauen weg von sich – auf Gott. Sie vertrauen, dass er ihren Lobpreis annimmt, sie vertrauen, dass Gott Möglichkeiten hat und Wege sieht, die sie, die Betende, nicht kennen und nicht sehen.

Ganz sicher haben sie, die Beterinnen und Beter im Obergemach, Worte der Psalmen und der Propheten in den Mund genommen oder im Herzen bedacht, ganz sicher haben sie sich an Worte Jesu Christi erinnert und darüber ausgetauscht.
Das Unterwegssein bleibt keinem Menschen erspart. Wer noch unterwegs ist, hat ein Ziel vor Augen, dem es entgegengeht. Dieses Ziel reicht weit über den Tellerrand des irdischen Daseins hinaus.

Die Kraft aus der Höhe hat die Apostel und Jünger – auch den nachgewählten Apostel Matthias (Apg 1, 15-26), erfüllt. Was sich dann an Pfingsten ereignete, hat alle Vorstellungen und Ängste überholt und weggeblasen.

Ich finde die Initiative von Papst Franziskus bewegend, an jedem Tag im Monat Mai kommen Christen rund um den Globus zusammen; mal in Nazareth, mal in Seoul, mal in Aparesida, mal in Banneux. Zusammen mit Maria bestürmen sie den Himmel, dass er der von Virus gebeutelten Menschheit die Kraft aus der Höhe sende und sie wieder aufstehen und gehen kann. So erneuert sich ihre Hoffnung. Ein alter Hymnus zum Heiligen Geist benennt es so:                   

                               Komm herab, o Heiliger Geist,
                               der die finstre Nacht zerreißt,
                               strahle Licht in diese Welt.

                               Was befleckt ist, wasche rein,
                               Dürrem gieße Leben ein,
                               heile Du, wo Krankheit quält.

                               Wärme Du, was kalt und hart,
                               löse, was in sich erstarrt.
                               Lenke, was den Weg verfehlt.

                               Gib dem Volk, das Dir vertraut,
                               das auf deine Hilfe baut,
                               deine Gaben zum Geleit.

                             (Gotteslob 344)
 

 

               

Pfarrer Rolf Oster, Heidenheim

Pandemie ist - wenn nur noch Fortnite bleibt

Jede Krise hat ihre Verlierer und ihre Gewinner, es zeigen sich Stärken und Schwächen einer Gesellschaft. Viel wird über die Verlierer und die Schwächen gesprochen. Dabei fällt einiges hinten runter: dass wir eine wohlhabende Gesellschaft sind, dass sie offen ist für Kritik, die laut geäußert werden kann. Dass es sehr viel gegenseitige Unterstützung gibt. Dass es ein starkes finanzielles Netz gibt, zu dem jeder und jede durch Steuern beiträgt etc. Und es gibt Gewinner, die ich nicht so gut finde: Epicgames, Netflix, WhatsApp etc. Ihre Kunden sind auch unsere Kinder. Seit Monaten verdienen die Hersteller der Computerspiele und Massengers im großen Stil – auch an unseren Kindern, die oft genug davor „geparkt“ werden müssen. Deren Spiele sind von (erwachsenen) Psychologen auf Abhängigkeit und Bindung getrimmt. Andere Erwachsene zeigen bei YouTube, wie elterliche Kontroll-Programme gehackt werden können. Was in der Pandemie deutlich wird: Wir können oft nicht anders. Da ist keine Großfamilie mehr, mit vielen Kindern und mehreren Erwachsenen. Da ist oft kein Sinn mehr für Spiel in der Natur, das es mit „Fortnite“ aufnimmt. Da ist oft wenig Begeisterung für Natur und Hobby. Was deutlich wird ist die Erosion von Tiefe, von Stille und Transzendenz, von etwas, das bleibt und trägt, auch wenn Konsum, Kino und Spaß wegfallen. Wie wertvoll die einfachen Grundlagen eines spirituellen Lebens sind, merken wir gerade jetzt und gerade im Umgang mit unseren Kindern: Zusammenhalt, der  auch gern über die übliche Kleinfamilie hinausgehen darf, Vertrauen in etwas oder jemanden, das mich übersteigt und selbst dann noch Sinn geben kann, wenn scheinbar nur noch „Netflix und Fortnite“ bleiben, Rituale und Gebete, die eine warme Hülle schaffen können, Orte der Stille schaffen, eine Kultur der Selbstbeschäftigung, die uns frei und kreativ macht etc.. Vielleicht können wir uns dieser Frage nach der Pandemie stellen: Wo soll es anders – auch für unsere Kinder - weitergehen.

Gabriele Kraatz, katholische Theologin und Dekanatsreferentin Heidenheim

Sehen und angesehen werden

„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagt der kleine Prinz in dem bekannten Roman von St. Exupery. Dieses Wort spricht wohl daher so viele Menschen an, da wir alle eine Ahnung davon haben, was damit gemeint ist.

Jemanden wirklich ansehen mag heißen, hinter die Oberfläche schauen, tiefer blicken, das „dahinter“ ent-decken… wenn das wirklich geschieht, mögen Seelen aufeinandertreffen und in der Tiefe spüren, dass es immer ein „mehr“ hinter den Dingen gibt.

Augustinus sagt: „Wir sehen die Dinge, weil sie sind; sie sind, weil Gott sie sieht“. Gilt das nicht auch von Mensch zu Mensch?  Nach Franz von Sales ist „sterben, wenn du nicht mehr angesehen wirst“. Ich denke an einen blinden Masseur, der mich sehr beeindruckt hat, weil er die Menschen unter der Oberfläche erkannt hat. Schon am Schritt, wie man zu ihm kam, konnte er erkennen, wie die Stimmung gerade ist und mit seinen Händen fühlte er, was in der Seele los ist. Er konnte es tatsächlich, das „Sehen“ mit dem Herzen und allen Sinnen.  

Ich finde, dass es Hilde Domin im folgenden Gedicht ausdrucksstark in Worte fasst:

Es gibt Dich

 

Dein Ort ist,

wo Augen dich ansehn

Wo sich die Augen treffen

entstehst du

 

Von einem Ruf gehalten

immer die gleiche Stimme,

es scheint nur eine zu geben

mit der alle rufen

 

Du fielest

aber du fällst nicht

Augen fangen dich auf

 

Es gibt dich

weil Augen dich wollen

dich ansehn und sagen

dass es dich gibt

 

                                               Hilde Domin, aus: Sämtliche Gedichte, Frankfurt a. M. 2009

 

Augustinus lädt uns ein, auf „den zu schauen, der mich anschaut“. Ob Gott oder Mensch, Gott im Menschen oder der Mensch in Gott? Wer will das so genau sagen…………?

Beate Limberger, Gemeindereferentin in Herbrechtingen und Umgebung

„GOTT ist barmherzig“

Im Alten Testament der Bibel gibt es eine sehr berührende und vielsagende Geschichte: David hat etwas getan, was Gott nicht gefällt. Daraufhin muss er als König des Volkes von drei möglichen Strafen eine wählen. Er sagt: „Ich habe große Angst. Ich will lieber dem HERRN in die Hände fallen; denn seine Barmherzigkeit ist sehr groß. Den Menschen aber möchte ich nicht in die Hände fallen.“ (1 Chr 21,13) Und tatsächlich ist es so wie es David gesagt und von Seinem Gott angenommen hat: Gott reut das Unheil, das Er angedroht hat und führt es nicht zur Gänze aus!

„Recht ist Recht und muss Recht bleiben!“, so fordern wir immer wieder und haben dann wenig Mitleid mit anderen Menschen, die uns etwas schulden oder uns gegenüber im Unrecht stehen. Dabei sind wir doch alle immer wieder auch auf die Vergebungsbereitschaft, die Barmherzigkeit anderer angewiesen … sollten wir da selbst nicht auch Barmherzigkeit leben? Und: auch wenn wir nicht gläubig sind, vergibt uns Gott als unser Schöpfer immer wieder, weil ER uns, ja jeden Menschen liebt – ER hat jeden Einzelnen gewollt und geschaffen! Das beste Beispiel dafür hören wir immer an Karfreitag, wenn einer der beiden mitgekreuzigten Verbrecher Jesus um Seine Fürsprache bittet und Jesus im zusagt: „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Die Bibel: Lk 23,43)

Gottes Herz ist so unendlich weit – wir können es uns nicht vorstellen (s. auch Lk 15,11-32 in der Bibel) … Er liebt dich und mich so sehr, dass Er alles, sogar Sein Liebstes, Seinen Sohn für dich und mich hingibt. Das sollte uns doch auch was wert sein!? Üben also auch wir mit den Menschen, die uns begegnen Barmherzigkeit, damit das Antlitz unserer so geplagten Erde oder auch das Antlitz unseres geplagten Gegenüber sich erhellen kann. Dann wird Gott in uns, durch uns und zwischen uns lebendig und durchbricht die physische Entfernung der Pandemie zu einer inneren Verbundenheit und Einheit, die die Herzen erwärmen kann, die tragen und erheben kann, die Flügel verleihen kann.

Das wünscht dir und mir, uns allen von Herzen Diakon Andreas Häußler!

Karfreitag - keine Verzierung

Der Karfreitag und seine Botschaft soll und darf keine Verzierung sein, sondern ein Fest (!) für alle Menschen, das auch diejenigen einschließen kann, die in diesen Tagen aufgrund der Corona-Pandemie und anderer Schicksalsschläge keine Freude erleben dürfen, weil sie in Einsamkeit, Depression, bitterer Armut, in Gewalt und Vertreibung, mit Krankheit und Tod konfrontiert sind. Das ist die Stärke dieses Tages, der so viele Widersprüche ins sich vereint! Auch hier im Landkreis Heidenheim, in unseren Städten und Dörfern leben solche Menschen und wir haben die Aufgabe, ihnen beizustehen, ihnen genau diese österliche Freude und Kraft zu bringen! An diese Menschen möchte ich am Karfreitag ganz besonders denken, weil sie zu uns gehören, vielleicht sind wir es ja selber ein Stück weit. Denn zu dieser Botschaft in diesen Kar- und Ostertagen gehört untrennbar dazu, dass Jesus von Anfang an in der gleichen Situation war. Seit dem letzten Karfreitag durfte ich in außerordentlicher Weise Menschen in den schwierigsten Situationen begleiten im Leid und im Sterben, ja im Tod. Ich denke an diejenigen, die ohne Beistand sterben mussten. Ich denke an den kleinen todkranken Jungen, der immer sehnsüchtig auf eine Krankenschwester wartete, die ihm etwas vorgesungen hat. Dabei fiel es dieser Schwester, wie sie mir nachher gesagt hat, gar nicht leicht, dieses Singen. Es ist unglaublich hart, wenn man einen Menschen verliert, zuschauen muss, nichts tun kann… So muss es doch Maria gegangen sein unter dem Kreuz bei ihrem Sohn Jesus. Da bäumt sich etwas auf in uns: Das darf doch nicht sein, das ist doch ungerecht! Warum so? Ein Mensch ist doch ein Bündel von Vitalität, Hoffnung, Lebenserwartung, voller Fragen und Staunen. Der kleine Junge z.B. hatte einen besonderen Draht zu den Sternen. In seinen Bilderbüchern wollte er immer den Himmel sehen. Deshalb war sein Wunschlied:  Weißt du wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl. Dieses Lied sang ihm die Schwester leise vor, und die Worte und die Melodie träufelten ins kleine Herz, viel behutsamer und wohltuender als die Chemo, als jede Medizin. Da kein (medizinisches) Wunder geschehen ist, weiß der kleine schon längst, wie viele Sternlein stehen, weil er zu dem heimgegangen ist, dem jede und jeder von uns einzigartig wichtig ist. Jesus sagte: „In deine Hände lege ich mein Leben!“ Ostern ist deshalb so etwas Besonderes, weil wir alle wie dieses kleine Kind die Sehnsucht haben nach einer Welt der Liebe, des Angenommenseins, einer grenzenlosen Weite, der Gerechtigkeit und des Friedens. Ich bitte Sie, mit diesem Osterfest wieder einen Neuanfang zu wagen und die Botschaft von Jesus ganz konkret in Ihrem persönlichen Leben Stück für Stück, Schritt für Schritt, Tag für Tag umzusetzen. Unsere Welt, unsere Gesellschaft, ja, wir ganz persönlich brauchen genau diese Botschaft vom Leben, die uns Gott auch dieses Jahr von neuem anvertrauen möchte. In diesem Sinne wünsche ich allen von ganzem Herzen ein liebe- und friedvolles Osterfest.

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen

Erzähl mir was!

Ich mag Lebensgeschichten. Wenn Menschen im Pflegeheim davon erzählen, was sie erlebt und so oft auch erlitten haben, was sie geprägt hat und wovon sie heute noch zehren, dann ist es jedes Mal, als ginge ein eigenes Universum auf, das Universum eines wertvollen ganz eigenen Lebens. Keine zwei Menschen, die jemals gelebt haben oder leben werden, haben genau die gleiche Geschichte. Jedes Leben ist einmalig, wichtig und von kostbarem Wert. Ob es das Leben eines jeden einzelnen von 60 Millionen Flüchtlingen ist, die ihre Heimat verlassen haben, um irgendwo auf dieser Welt einen Ort zu finden, wo sie in Frieden leben können, ob es das Leben von unzähligen Menschen in unserer Welt ist, die nicht wissen, ob sie am nächsten Tag genug zu essen haben oder ob es in unserem Land Menschen sind, die unter Erkrankung oder einem Schicksalsschlag leiden, sich einsam oder fremd fühlen, die Angst haben um ihre Existenz oder auch die Glücklichen und Zufriedenen….bei aller Einmaligkeit gibt es einen gemeinsamen Nenner, so sagt es uns moderne Psychologie: die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, angenommen sein und geliebt werden.

Mich beeindruckt und berührt es jedes Mal, wenn Menschen davon erzählen, wie sie durch manche Leidsituation hindurch gegangen sind: da gab es auf einmal unerwartete Hilfe, da tat sich plötzlich ein Weg auf wo vorher alles verschlossen schien, da wurde eine tiefe Krise zur Chance, aus der neues Leben erwachsen konnte.Ich lerne von Menschen, die mir von ihrem Leben erzählen und ich möchte gerne von Menschen lernen, deren Leben durch schwere Krisen hindurch eine Wendung erfahren hat, aus der ihnen Stärkung, Vertrauen und Mut zugeflossen ist.Und besonders ist es, wenn Menschen angerührt sind durch eine tiefere Wirklichkeit, einer Liebe die trägt und annimmt, den oder die einzelne, bedingungslos.

Es ist gut einander zuzuhören, mit Zeit und Aufmerksamkeit, voneinander zu lernen und wirklich miteinanderzu reden. Ich habe den Eindruck, wir brauchen das gerade in dieser Zeit besonders dringend auf vielen Ebenen: persönlich, gesellschaftlich und kirchlich.

Von unterschiedlichen Lebenswegen zu hören, abwechselnd mit musikalischen Leckerbissen, dazu gibt es auch die Möglichkeit an den Sonntagen, 14. und 28. März, 17.00 Uhr in der katholischen Kirche St. Bonifatius Herbrechtingen. Herzliche Einladung!  

 

Beate Limberger

Gemeindereferentin in Herbrechtingen und Umgebung

Machet die Tore weit!

Müssen Geschäftsleute und der Handel sich auf das Weihnachtsfest vorbereiten? Und wie? Da wird dekoriert: Christbäume, Lichterketten. Da werden Weihnachtsmänner aufgeboten; selbst die Bedienung an der Brötchentheke trägt eine rote Zipfelmütze. Und bitte, Musik! Süßer die Glocken nie klingen….

Wollen Heiratswillige sich auf ihre Hochzeit vorbereiten? Und ob!! Wer muss da alles kontaktiert werden?! Standesamt, Trauzeugen, die Gäste, die Kirche, der Pfarrer. Nicht vergessen, das Brautkleid, der Brautstrauß, das Hochzeitsauto mit Deko, der Pfarrer, die Lokalität, in der gefeiert wird, das Menü, die Musik zum Tanzen…..

Wollen – Müssen sich Christen auf Ostern vorbereiten?

Jesus Christus steht nicht da, um eine Checkliste durchzugehen und abzuhaken. Die Christenheit hat die 40 Tage vor Ostern als eine Zeit der Vorbereitung angesehen und tut es heute noch.

40 Tage, weil Jesus Christus vor seinem öffentlichen Auftreten 40 Tage in der Wüste gefastet hat. Die 40 Tage, auch Fastenzeit oder österliche Bußzeit genannt könn(t)en Tage sein, in der Christen als Einzelne oder als jemand in der christlichen Gemeinde das anstehende Fest ins Auge fasst und sich zu Herzen gehen lässt.  Das Fest ist ihm etwas wert. Er lässt es sich „etwas kosten“. Sieben Woche ohne heißt eine Initiative. Schaffst Du es, mal mit weniger Fernsehunterhaltung, mit weniger Smartphone, mit weniger Süßigkeiten, mit weniger Nikotin ?

„Exerzitien im Alltag“ heißt eine andere Initiative: Sich jeden Tag für ein ausgewähltes Schriftwort eine Viertelstunde Zeit zu nehmen; einmal pro Woche Austausch darüber in der Gruppe. Und die auf den sozialen Medien „daheim“ sind, lassen sich elektronische Impulse für den Tag, die Woche, zusenden (Gebetshaus Augsburg, Jugendamt Wernau…)

Der ökumenische Kreuzweg am Karfreitag in Heidenheim ist eine Gelegenheit, sich betreffen zu lassen. Der Fastenkalender ist ebenfalls ein spiritueller Anschucker…. Warum überhaupt sich auf Ostern vorbereiten? Weil da Großes, Unausdenkbares Großes für Dich und mich geschehen ist!

Der Apostel Paulus schreibt den Kolossern und uns in und um Heidenheim: Er, Christus, hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, und seine Forderungen, die uns anklagten durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn ans Kreuz geheftet hat. (Kolosserbrief 3,14) Und: Gott hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. (Kolosserbrief 3, 13b)

Vierzig Tage große Einladung der Liebe Gottes und seines Sohnes, sich auf das Geheimnis unserer Erlösung vorzubereiten. Es gibt Dinge und Geschehnisse in meinem Leben, da geht es um ganz Wichtiges. Die will und kann in der Geschäftigkeit des Alltags und der Bedrängnis durch Corona nicht untergehen lassen. Die wollen mir etwas wert sein. Wenn ich mich vorbereite, wächst langsam eine Freude auf Ostern hin, weil „Christ erstanden von der Marter alle“. (vgl. EKG 99; GL 318)

Pfarrer Rolf Oster, Heidenheim

Valentin, ein Narr?

Zum Höhepunkt der Faschingssaison übernehmen die Narren das Regiment. Nun fällt in dieser Zeit, in der sowieso schon alles verrückt genug ist, der Faschingssonntag mit dem Valentinstag zusammen. – Valentin, also ein Narr?

Nicht ganz klar ist, welcher Valentin zum Schutzheiligen der Liebenden wurde. Es gibt gleich zwei, die im dritten Jahrhundert den Märtyrertod erlitten haben sollen. Am passendsten erscheint da die Legende des Valentin von Terni, dem sowohl der Glaube als auch die Liebe wichtiger waren als alles andere. Er lebte zu einer Zeit, in der das Christentum noch verboten war und der römische Kaiser das Sagen hatte. Dieser Bischof Valentin hat sich über die geltende Regel hinweggesetzt, dass Soldaten nicht heiraten durften. Er hat trotzdem die Verliebten getraut und soll ihnen anschließend Blumen aus seinem Garten geschenkt haben. Also ein Zeichen der blühenden Gemeinschaft. Zudem sollen diese Ehen unter einem besonderen Segen gestanden haben.

Wirklich gesichert sind diese Geschichten über Valentin nicht. Sie sind eben Legenden. Zusätzlich verknüpft ist das Brauchtum wohl mit der römischen Göttin Juno, die übrigens als Schützerin der Ehe und Familie galt. Gefeiert wurde sie von den Römern am 14. Februar und die Frauen bekamen zu ihren Ehren Blumen geschenkt. Auf jeden Fall wurde Valentin zu einem beliebten Volksheiligen, der im Mittelalter vergleichbar mit Nikolaus und Martin gewesen sein soll.

Schön, dass Valentin und „sein Tag“ auch heute so bekannt und beliebt ist. Gerade weil er im guten Sinne ein Narr ist und die bestehende Ordnung ver-rückt. Zeigt er uns doch, dass es in bestimmten Fällen wichtig ist, ein Herz zu haben und sich über die bestehende Ordnung hinwegzusetzen – eben der Liebe wegen. Und das hat etwas mit dem Wesen Gottes zu tun, denn in der Bibel heißt es: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“

Ilse Ortlieb,
Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit HDH-Nord

Lichtfenster

Bundespräsident Steinmeier hat letzte Woche dazu aufgerufen, jeden Freitag gegen Abend ein Licht ins Fenster zu stellen. Weltweit sind inzwischen mehr als 2 Millionen Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben, in Deutschland mehr als 50.000 und im Landkreis Heidenheim sind es 123 Verstorbene.

„Wir stellen ein Licht ins Fenster. Ein Licht der Trauer, ein Licht der Anteilnahme, ein Licht des Mitgefühls.“, schreibt Steinmeier. Die beiden großen Kirchen und

verschiedene andere Organisationen unterstützen diese Lichtaktion. Wir sind eingeladen zu diesem Zeichen der Verbundenheit mit denen, die vom Tod eines nahen Menschen betroffen sind, aber auch mit denen, die sich jeden Tag für Menschen engagieren, die schwer krank und sterbend sind. Als Krankenhausseelsorger erlebe ich wie wichtig und heilsam diese Verbundenheit ist. Für Sterbende und deren Angehörige, die erfahren, wir sind  nicht allein und für Mitarbeiterinnen, die spüren auch jetzt im zweiten Lockdown wird unser Engagement gesehen und wert geschätzt.

Diese Pandemie führt deutlich vor Augen wie gefährdet und verletzlich die Schöpfung und wir Menschen sind, wie ohnmächtig wir sind.

Und auf der anderen Seite erfahren wir eine große Solidarität und ein immenses Engagement im Kampf gegen Covid. Das Anliegen von Bundespräsident Steinmeier möchte ein sichtbares Zeichen dafür sein, dass diese große Krise nur gemeinsam und mit einer besonderen Fürsorge für die Schwächsten unsere Gesellschaft gemeistert werden kann.

So ist jede und jeder eingeladen, ein Licht ins Fenster zu stellen und so ein Zeichen der Solidarität zu setzen und einen kleinen Beitrag zu leisten, dass diese Welt ein wenig heller wird.

 

Uli Redelstein

Katholischer Krankenhausseelsorger

Vom Puzzle "Ökumene"

An Silvester habe ich mich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder an einem Puzzle versucht. Es gestaltete sich – wie zu erwarten – mühsam; 1000 Teile fügen sich nicht so schnell zusammen. Da braucht’s einen gewissen Plan. Im Lauf der Stunden war dann doch manches zu erkennen. Irgendwie machte es auch Spaß gemeinsam ein großes Werk anzupacken. Durchaus mit verschiedenen Methoden und Ansätzen, aber man lernt ja voneinander. So wie ich in der Vergangenheit von meinen evangelischen Mitschwestern und -brüdern im Gemeindedienst auch schon vieles gelernt habe in Bezug auf Ökumene: z.B. Interesse an und Rücksichtnahme auf Traditionen der anderen Konfession; das Anteilgeben und -nehmen an persönlichen Erfahrungen und Einstellungen; Wertschätzung des grundsätzlich Verbindenden im christlichen Glauben ohne die historisch gewachsenen Unterschiede zu übergehen. Sprich: eine „Ökumene der Profile“, die wie beim Puzzeln von unterschiedlichsten Teilen lebt, aber innerlich dennoch verbunden ist und das große Ganze nicht aus den Augen lässt. „Bleibt in meiner Liebe und ihr werdet reiche Frucht bringen (Joh 15,8-9)“, so lautet das Leitthema der diesjährigen „Gebetswoche für die Einheit der Christen“, die am 25. Januar zu Ende geht. Christen haben Jesus und der Welt gegenüber noch eine Bringschuld, solange das Gesamtpuzzle noch nicht komplett ist. Ich meine: Ökumenisch eingestellte Menschen passen wie kleine Puzzleteilchen zueinander, wenn sie in der richtigen inneren Haltung zueinander stehen. Gemeinsam wachsen sie über sich hinaus und haben ein größeres Gewicht. Nur mit Ruhe kommt man vorwärts, Hektik bringt nichts. Noch bin auch ich nicht ganz am Ziel…

ÖKUMENE (nach Clemens Wilken)

ein FREMDWORT für die Gleichgültigen
ein LEITWORT für die Suchenden

ein HAUPTWORT für die Begeisterten

ein REIZWORT für die Dogmatiker

ein FANTASIEWORT für die Pragmatiker

ein FRAGEWORT, das Strukturen erschüttert

ein FLOSKELWORT, das als Alibi gebraucht wird

ein FÜLLWORT, das immer wieder gefüllt werden will

ein SEHNSUCHTSWORT für die noch nicht Resignierten

ein CODEWORT für die Eingeweihten

und eines der LETZTEN WORTE unseres Herrn: „SEID EINS“!

 

Pfarrer Dietmar Krieg, Schnaitheim

„DU bist mein geliebtes Kind“

„Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden,“ so ruft Gott-Vater im Markusevangelium Seinem Sohn Jesus vor allen Menschen aus dem Himmel heraus zu. Wie sehr muss sich Jesus darüber gefreut haben?!

„Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden!“ Das hat Gott auch mir vor 36 Jahren (am 13. Januar 1985) zugerufen und mir ins Herz hineingeschrieben. Seitdem weiß ich: es gibt IHN! Ich bin IHM nicht egal, ER kümmert sich wirklich um mich! Dieser Gott, der oft so unnahbar, so weit weg zu sein scheint, so wenig greifbar ist, kommt mir dann, wenn ich IHN am nötigsten habe, so unendlich nah … Worte können nicht ausdrücken, was es bedeutet.

„DU bist mein geliebtes Kind! An DIR habe ich Gefallen gefunden!“ Das ruft Gott auch dir heute zu! Er hat dich geschaffen, Er hat dich gewollt und Er hat einen Plan mit dir und deinem Leben. Und wenn dir andere und du vielleicht selbst einreden wollen, dass du nichts wert bist, dass du unnütz bist, dass du nicht gebraucht wirst und nichts kannst – NEIN, Gott selbst kann und will DICH, gerade DICH gebrauchen! Und Er hat Dich mit Talenten beschenkt, die Dir Freude machen sollen und mit denen Er Dich gebrauchen möchte.

Lass dich also von Ihm ansprechen und genieße diesen Satz, den ER dir in Seiner grenzenlosen Liebe zu dir zusagt. Gib Ihm Antwort und lass dich auf Ihn ein: du wirst es nicht bereuen, denn „wenn selbst Vater und Mutter dich verlassen, der Herr nimmt dich auf!“ (nach Ps 27,10)

Ich wünsche dir, dass dir dieser Zuspruch immer mehr zur Gewissheit und zur Freude, zur starken Zuversicht für und in deinem Leben werden kann. Dann wirst du den Weg mit Ihm, deinem Gott in den Himmel hinein finden – und dieser Himmel beginnt schon hier auf Erden. Auf jeden Fall wirst du den Weg durch dieses Jahr und durch diese Pandemie finden!

Herzlich, Diakon Andreas Häußler

Labyrinthe führen zur Mitte, sind keine Irrwege!

Ein besonderes Jahr liegt hinter uns, wir schreiben zum letzten Mal 2020. Das Labyrinth ist ein uraltes Symbol. Menschen pflanzen, legen, mauern, malen Labyrinthe. Verschlungen wendet sich ein Weg zur Mitte. Anders als in Irrgärten gibt es aber keine Sackgassen. Kein Weg geht in die Irre oder ist umsonst. Menschen verdichten ihre Erfahrungen und geben damit dem Anfang und dem Ende eine Struktur.
Um das Unberechenbare erträglich zu machen und wenn die Unsicherheit wächst, helfen Rituale. Menschen meditieren und begehen Labyrinthe in der Natur, an heiligen Orten, in Kathedralen und Gärten. In vielen Kulturen und seit mehr als 5000 Jahren bewältigen Menschen so die Veränderungen und gewinnen neue Orientierung für sich selbst und ihre Umwelt.
Es ist kein Zufall, dass im Frühjahr rund um Heidenheim mindestens zwei Labyrinthe in die Landschaft gelegt und begangen wurden. Steine markieren einen Weg vom Eingang bis zur Mitte in vielen strukturierten Windungen. Wer den Weg geht, fühlt sich bisweilen erwartungsvoll der Mitte ganz nah. Fast am Ziel, dreht der Weg und die Kehre führt ganz nach außen weit weg von der Mitte.

Erinnerungen an 2020 werden wach:  „auf Sicht fahren“, „erster, zweiter Lock down“,  mehr als 40 Corona Verordnungen  ... und dies sind die äußeren Daten!

Die Jahreswende ist eine Zeit für Rückschau und Nach-denklichkeit und Zeit der Neu-orientierung und der Wandlung? Wendepunkte im Jahr und im Leben sind kostbare Momente. Was hat sich verändert und was ist geblieben? Eine Einladung zum Nach-gehen oder Nach-denken:
Wo komme ich her, wo will ich hin?
Was hat mich bisher geleitet und wer wird mich begleiten?
Was liegt hinter mir, Gutes und Schweres, Leichtes und Anstrengendes, was hat sich gewendet?
Im Labyrinth kann ich mich nicht verlaufen. Im Schreiten nähere ich mich der Mitte und entferne mich wieder von ihr. Bleib auf dem Weg und du wirst die Mitte finden. Wer oder was ist meine Mitte? Genieße die Ruhe in der Mitte des Labyrinths.

Gott segne und behüte uns.
Gott segne unser Tun und unser Lassen.
Gott segne das Glückliche und den Schmerz.
Gott komme uns entgegen und helfe uns, Umwege zu gehen.
Gott schenke uns Lust und Begeisterung für neue Wegabschnitte.
Gott begleite uns und schenke Vertrauen.

Das Jahr 2021 liegt vor uns und will zuversichtlich gelebt werden.
Jede und jeder wird den ganz eigenen Weg zur Mitte im Labyrinth des Lebens finden.

 

Elisabeth Redelstein
Referentin Familienpastoral im
kath. Dekanat Heidenheim
Labyrinth gemalt von Uli Viereck (Privatbesitz)

Gott zögert nicht

In diesen Tagen überlegen wir uns oft dreimal, was wir wann und mit wem machen: Was ist erlaubt? Was ist verantwortbar?

„Gott selber wird kommen, er zögert nicht“ – so heißt es in der vierten Strophe des Liedes „Wir sagen Euch an, den lieben Advent“. Gott hat es da ein wenig einfacher als wir: Er ist kein eigener Hausstand und er wirkt sich auch nicht auf die Personenzahl eines Treffens oder einer Feier aus. Denn Gott ist bereits dabei. Er zögert nicht, dieses besondere Weihnachten mit uns zu feiern! Er will uns nahe sein, auch wenn wir nicht mit all jenen zusammen sein können, mit denen wir es gerne tun würden. Er will auch im Kleinen Zuhause mit dabei sein, gerade dann wenn wir dieses Jahr aus Vorsicht oder aufgrund begrenzter Kapazitäten vielleicht nicht die Weihnachtsgottesdienste besuchen möchten oder können.

Dass Gott in den kommenden Tagen mit uns Zuhause feiern möchte, daran wollen uns auch die Weihnachtskrippe im Wohnzimmer, die Kerzen am Adventskranz oder die Lichter an den Fenstern und am Christbaum erinnern. Wir richten unser Zuhause her, um uns trotz allem auch in diesem Jahr eine behagliche und besinnliche Weihnachtsatmosphäre zu schaffen. Diese Behaglichkeit, die Wärme und das Licht, die wir uns in unsere Häuser holen, die sind Gottes Weihnachtsgeschenk an uns! Vielleicht denken wir bei den letzten Vorbereitungen auf die Weihnachtstage auch ganz bewusst an ihn: Gott wird kommen, er zögert nicht, mit uns zusammen zu sein. So wie wir für uns unsere Wohnzimmer bereiten, um uns in Weihnachtsstimmung zu versetzen, so können wir Gott auch in unseren Herzen eine Wohnung bereiten, damit er uns durch seine Nähe mit Wärme und Behaglichkeit erfüllt. Gott wird nicht zögern, bei uns einzuziehen!

 

Thomas Haselbauer,

Pastoralreferent, Giengen

 

Die Dichterin Gertrud von le Fort deutet in hymnischen, erhabenen Worten die Botschaft des Advents:

Jesus, der Sohn Gottes, wird von Maria, seiner Mutter, getragen und in Betlehem geboren. Der Advent ist die Vorbereitung auf das Geburtsfest Jesu:

Falte deine Flügel, o Seele, wende dich aus der Ferne,

steige ab vom Himmel in dein kleines Haus!

Du Märtyrin des Verborgnen, du Leiderin des dunklen Gottes,

du hohe Sehnerin des Unsichtbaren!

Kann man auch schreiten ohne Schritte?

Kann man auch treten in die nackte Luft?

Kann man auch lieben ins Sprachlos-Ew’ge?

Rufe deine Füße heim, rufe dein Herz heim,

rufe sie an deine arme Menschheit.

Denn siehe, ich gehe mit Frohlocken durch deine Fluren,

ich gehe dir mit eilender Freude voran

durch den braunen Herbst!

Es sind Engel auf der Reise,

es sind große Sterne unterwegs nach dieser Erde.

Wieget, ihr Mütter, wieget: jedem Kindlein wird ihr Licht erscheinen!

Singet es im Harren der Frühe,

singet es leise, leise ins finstre Ohr der Welt!

Singet es auf den Knien, singet es wie unter Schleiern,

singet es, wie Frauen in der Hoffnung singen:

Denn zart ward, der da stark ist, klein war der Unendliche,

hold war der Gewaltige, demütig ward der Erhabne,

Raum hat er in der Kammer einer Jungfrau:

auf ihrem Schoße wird sein Thron sein – Lob genug ist ihm ein Wiegenlied!

Siehe, die Tage wollen nicht mehr aufstehen vor Andacht,

und die Nächte der Erde sind dunkel geworden vor tiefer Ehrfurcht:

Ich will Lichter anzünden, o Seele,

ich will Freude anzünden an allen Enden deiner Menschheit:

Sei gegrüßet, die da trägt den Herrn!

 

Pfarrer Dr. Dietmar Horst, Dischingen

Abhaken ?!

Kürzlich sagte mir eine Frau: „ich bin froh, wenn unter dieses Jahr 2020 ein Haken gemacht wird, es kann eigentlich nur noch besser werden.“ Sie meinte das für sich persönlich, aber auch wenn wir in unsere Welt schauen, könnte uns das Gefühl beschleichen, wir leben in einem einzigen Tohuwabohu: die weltweite Corona-Krise hält uns in Atem, weiterhin versuchen Menschen in einer Nussschale ihr Leben zu retten vor Krieg und Verwüstung und finden sich, wenn sie nicht ertrinken, in menschenunwürdigen Lagern wieder, die Veränderung des Klimas bedroht ernsthaft die kommenden Generationen und…und…und… noch nicht mal zu denken an die vielen persönlichen Schicksale: Krankheit, Kurzarbeit, Sorge um die Existenz….Obdachlosigkeit und Armut nehmen auch hier im ländlichen Raum zu. Tatsächlich: Tohuwabohu. Wussten Sie eigentlich, dass dieses Wort aus dem Hebräischen stammt? Es steht im ersten Satz der Bibel: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war tohu wa bohu (wüst und leer).  Von diesem Tohuwabohu des Anfangs hat sich wohl bis in unsere Zeit etwas durchgetragen, auch wenn am Ende des biblischen Schöpfungsberichts Gott alles ansieht, was er gemacht hatte und es für sehr gut befindet. Genau das macht das menschliche Leben bis zum heutigen Tag und vermutlich wohl auch künftig aus: die Spannung zwischen dem Guten, Schönen, Geordnetem und dem Chaos, dem Verwirrenden, dem Tohuwabohu. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ sagt Friedrich Hölderlin in unruhigen Zeiten. Vielleicht tut es gerade jetzt gut, in all dem Chaos den Blick auf das Wesentliche, das Rettende zu richten. Für mich geschieht das in Begegnungen, wo Menschen von ihrer Hoffnung erzählen oder auch im Blick auf Hoffnungsgeschichten der Bibel, wo beispielsweise Jesus den sinkenden Petrus rettet, der im Chaos der Sturmfluten den Blick auf das Wesentliche (auf Jesus) verliert. Was trägt im Leben? Was ist wesentlich? Wo ist für mich der Sinn? Wenn Sie diese Fragen mit anderen gemeinsam bedenken mögen, sind Sie herzlich eingeladen zu den „Lichtblicken im Advent“ an jedem Adventssonntag um 16.00 Uhr in der katholischen Kirche Herbrechtingen. Herzlich willkommen!

Beate Limberger, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Lone-Brenz

Lachen und Weinen, Leben und Sterben bis zuletzt

Menschen, Frauen und Männer, im Alter Mitte 30 bis 96, aller sozialer Schichten unserer Gesellschaft, verschiedenen Kulturen und Religionen, auch Atheisten sind seit Mitte 2018 im Hospiz Barbara verstorben. 127 (Stand 08.11.20) Menschen mit individuellen Lebensentwürfen hatten von ihrem Arzt das Urteil „unheilbar krank“ erhalten und mussten sich in kurzer Zeit auf ihren Tod vorbereiten. Viele tun sich damit verständlich schwer, nicht nur unsere Gäste, sondern oft noch mehr auch die Angehörigen: Ehepartner, LebensgefährtInnen, Eltern, Kinder, Geschwister, FreundInnen.

Vierteljährlich feiern  wir einen Gedenkgottesdienst für die Angehörigen, so auch wieder Mitte Oktober, als wir Gast  in der Zinsendorfgemeinde waren; dabei wird für die Toten gebetet, ihre Namen vorgelesen, eine Kerze für sie entzündet und Trost für die Angehörigen in ihrer Trauer gesucht. Jeder Gast bei uns im Hospiz Barbara bekommt, wenn er das möchte, eine eigene Begleitkerze. Sie hat 3 Kirschblüten und der Vornamen des Gastes wird darauf geschrieben. Die drei Kirschblüten erinnern an die Legende der heiligen Barbara, der auf dem Weg in ihr Gefängnis ein Kirschzweig an ihrem Kleid hängen blieb. Diesen hat sie ins Wasser gestellt und die Legende berichtet, dass er bei ihrem Tode, von ihrem Vater wegen ihres Glaubens gefordert, aufgeblüht ist.

„Lachen und Weinen, Leben und Sterben bis zuletzt im Haus Barbara“ das ist ein Leitmotiv unseres Daseins. Vielleicht wundern sie sich über die Tatsache, dass in einem „Sterbehaus“ gelacht werden kann. Uns ist es sehr wichtig, die Freude zu leben und den Humor in unserer Betreuung und Begleitung einfließen zu lassen. Gerade in Gesprächen über das Leben unserer Gäste, bei denen schöne Erinnerungen in Erzählungen und Bildern von ihrem Leben, ist dies oft der Fall. Unser Pflegpersonal bringt ebenfalls eine gute Portion an Freude und Humor mit und dies wirkt sich sehr positiv auf unsere Atmosphäre im Haus aus.

Das Weinen bleibt nicht aus: Über den Verlust des eigenen Lebens, beim Sterben für die Angehörigen, auch bei uns Seelsorgern, wenn wir an den Betten stehen und die Traurigkeit und die Endgültigkeit dieses Menschen wahrnehmen, bei den Abschiedsfeiern und Gedenkgottesdiensten. Doch jede Träne löst die Trauer und setzt den Trauerprozess in Gang. „Das Zeitliche segnen“ ist ein Ausdruck des guten Verabschiedens von Menschen, deren Tage und Zeiten bestimmt sind. Im Hospiz wird beim Abschiednehmen eines Menschen Vieles sichtbar: Wie er gelebt hat, was seine Stärken und Schwächen angeht, wie er mit den Angehörigen vernetzt ist, ob sein Glaube ein Fundament sein kann, leichter loszulassen, weil für ihn nach dem Tod etwas Neues beginnt. Jesus hat es im Evangelium versprochen: „Ihr werdet dort sein, wo auch ich bin.“ Für einen glaubenden Sterbenden ist der Tod ein Übergang in ein neues, ewiges Leben. 

Wichtig wäre mir noch Ihnen von einigen unserer Gäste zu erzählen, die in meinem Herzen ihre Spuren eingegraben haben:

Da wäre M., noch keine 50 Jahre alt, die sehr lange bei uns war und sich in der Zeit ihres Abschiednehmens aktiv eingebracht hat: Karten aus ihren Bildern und selbstgemachte Pralinen für den Weihnachtsstand, Mithilfe an den Gästekerzen, die wir gestaltet haben. Sie war Bademeisterin und hat sich gewünscht, dass ihre Asche im Bodensee eingestreut werde.

Oder lassen Sie mich von G. erzählen. Sein Leben hatte mit Mitte 50 ein großes Auf und Ab, er liebte seine 3 Söhne, die wir oft an den Wochenenden, wenn sie bei ihm waren, auch als unsere Gäste hatten.In einer sehr berührenden Abschieds- und Segensfeier mit über 20 Freunden und Familienangehörigen konnte er sich von allen mit einem Kreuzzeichen auf der Stirn verabschieden.

Das Haus Barbara will ein Haus sein, das Segen für die Menschen bedeutet. Aber Segen können wir nicht machen, er wird uns geschenkt, wenn wir darum bitten. Den Sterbesegen, den wir an den Betten für unsere Gäste sprechen, drückt dies aus.

Marianne Banner, Seelsorgerin im Hospiz Barbara,

Gemeindereferentin der SE Unteres Brenztal

 

 

 

 

Teilen ist gar nicht einfach!

In Berlin saß eine Bettlerin vor dem Spandauer Bahnhof im Nieselregen. Sie hatte ein kleines Kind im Arm und hielt einen Pappbecher vor sich hin. Eine junge Frau kam und legte ihr etwas in den Becher. „Aus Menschlichkeit“, meinte sie, auf meine Frage hin.

In Berlin ist Betteln an der Tagesordnung. Auf der Straße, an der Ecke, in den U-Bahnen, S-Bahnen, überall kann man ein paar Euros loswerden, täglich, stündlich. -  Hilft das? Was heißt hier „Helfen“, was heißt „Teilen“? Ich denke, viele von Ihnen kennen das Problem, doch gern wissen zu wollen, was denn mit den „paar Euros“ geschieht.

Der Hl. Martin hatte es in gewisser Hinsicht einfacher. Da war im tiefsten Winter ein halbnackter Bettler, da gab es einen warmen Mantel und ein Schwert. Und „Schnitt“, die Sache war getan.Im Gegensatz dazu muss jeder von uns selbst entscheiden, wo wir was wie teilen. Soziologisch gesehen ist Armut etwas, zu dem es keine Alternative gibt. Sprich, jemand kann tun und lassen, was er oder sie will, aber er sitzt in Strukturen, die ihn nicht aus der Armut entlassen. Aus diesen Überlegungen entstand die Bewegung „pragmatischer Altruismus“. Eine relativ neue Bewegung. Sie beinhaltet die Entscheidung, i.d.R. kein Geld an Einzelpersonen zu spenden, sondern in die Veränderung von Strukturen zu investieren. Ich finde das bedenkenswert.

Zum St. Martinsfest stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es in unserer Zeit eigentlich wirklich um materielle Güter geht. Ich habe das Gefühl, die eigentliche Armut unserer Zeit ist die Einsamkeit. Teilen von Lebenszeit, von dem, was – bewusst oder unbewusst – das Kostbarste ist, das wir haben, stellt uns vor zentrale Frage: Mit was und wem teile ich mein kostbarstes Gut? Jede Stunde, die ich verschenke, ist unwiederbringlich gegeben. Dadurch wird die Zeit, die ich gebe und die Zeit, die jemand erhält, sehr kostbar und sollte sein: Lebenszeit-Zuwendungszeit-Liebeszeit-Gesprächszeit. Zum Christsein gehört wie der Spinat zu den Bratkartoffeln das Engagement für andere, Solidarität, Achtsamkeit. Es ist gar keine Frage, sondern ein selbstverständlicher Glaubensvollzug, Zeit und Aufmerksamkeit (oder auch Geld) für andere zu geben. Damit wird „Teilen“ wieder wesentlich, indem es uns nämlich tatsächlich etwas kostet und nicht nur ein Weggeben von etwas ist, das wir eh übrighaben. Vielleicht nehmen Sie es mit in dieses Fest und in den Advent: Zeit zu teilen, es würde so gut zu unserer Corona-Zeit passen.

Übrigens: In Berlin ist es verboten, mit Kindern zu betteln und auf diese Art Mitleid zu erregen. Darauf stehen 500,- Euro Strafe. Ich sagte zu der jungen Frau, dass sie mit ihrer Gabe nur bewirke, dass das Kind länger im Regen sitzt. Als ich zum Security-Dienst ging, war die Bettlerin innerhalb weniger Minuten verschwunden. Auch das gehört zur Realität.

St. Martin ist das Namensfest einiger Gemeinden in unserem Dekanat: Herzlichen Glückwunsch nach Eglingen, Oberstotzingen und Bolheim! 

Gabriele Kraatz, Dekanatsreferentin

Allerheiligen und Allerseelen

Dieses Jahr bekommen die Feiertage Allerheiligen und Allerseelen eine noch wichtigere Bedeutung als sonst. Viele, die während des Lockdowns einen lieben Menschen durch den Tod verloren haben, konnten nicht richtig Abschied nehmen. Ganz häufig liest man bis heute in den Todesanzeigen: „Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir uns im engsten Kreis verabschiedet.“ Was ist mit den anderen? Der Tod fügt den Zurückgelassenen heftigen Schmerz zu, denn mit ihm geht ein Riß durch die menschlichen Beziehungen, einschneidender als andere Risse im Leben. Darum fühlt sich der Betroffene ver­wundet, verletzt, oft so sehr, dass er sich von seiner Um­welt zurückzieht, benommen, stumm, oder er pendelt zwischen Hektik und Depression. Jesus kannte diese Seelenverfassung. Er durchlitt sie selbst, als er am Grab seines Freundes Lazarus weinte. Er half aber, sie zu ertragen, als er der Witwe beistand, die ihren einzigen Sohn verloren hatte. Doch zu Jesu Mitempfinden kommt das Entscheidende hinzu, ohne das Trauer unerlöst bliebe: Er besiegte den Tod. Er gab der Witwe den Sohn zurück. Der Auferstandene hat un­seren Weg zum ewigen Leben schon eingeleitet. Freilich, Trauer braucht Zeit. Und sie braucht die Nähe verstehender Menschen, braucht das tröstende Wort, aber ebenso das Mitschweigen, Mitleiden, Mitbe­ten. Wer mit dem Verlust eines geliebten Menschen die eigene Sterblichkeit anerkennt, reift im Trauerleid. Er orientiert sich neu in seiner veränderten Lebenslage. Was und wer ist jetzt wirklich wichtig in meinem Leben. Dem Trauernden steht der Auferstandene zur Seite. Und: Trauern geht nur durch Trauern. Gerade an Allerheiligen und Allerseelen die Gräber besuchen. Das hilft in dieser so schweren Zeit wirklich sehr! Und wie die Liebe, so braucht auch das Leid seine Zeit, damit es Tiefe gewinnt. Es wäre unmenschlich, bei einem Verlust nicht zu trauern. Und es macht sogar krank! Der Trauer verbunden ist die Liebe, und so beklagen die Psychologen in unserer liebe­sarmen, distanzierten Welt auch die Trauer-Armut. Man lebt über den Verlust hinweg, man zerstreut sich. Oder ein Schicksals­schlag macht bitter und verhärtet, weil ihm die lösende Trauer fehlt. Tränen lösen; sie verhelfen zur wahren Trauer, in der eine neue Liebeskraft keimt.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch die Gottesdienste an den Feiertagen, die Gebete, die Tränen und den Besuch der Gräber neuen Mut fassen, Kraft schöpfen können, damit die Trauer dem Weg zum ewigen Leben den Weg weist.

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen.

Ein Gedanke zwischendurch

Eine Reise nach Vietnam ist für mich eine religiöse Erfahrung. Obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin,  obwohl ich besser deutsch spreche als vietnamesisch, ist es wie eine Rückkehr in meine Heimat. Ich tauche nicht nur in eine Kultur ein als Tourist, sondern es wird in mir etwas lebendig. Ich spüre: ich bin Teil dieses Landes; Teil seiner Geschichte.

Eines Tages, als wir im Omnibus durchs Land gefahren sind, raus aus der Stadt, mehr aufs Ländliche, da fiel mir wieder einmal die brutale Armut auf, die dort herrscht. Mir ging sofort durch den Kopf: es ist alles so willkürlich. Denn genauso gut hätte ich derjenige sein können, der in einer Wellblechhütte wohnen müsste, und der andere würde jetzt auf meinem klimatisierten Platz im Bus sitzen. Er kann nichts dafür, er hatte Pech, dass er in einem armen Land geboren wurde und ich hatte einfach nur Glück, in einem wohlhabenden Land zu leben, wo ich auch noch reden und glauben darf, was ich will.

Frieden und Wohlstand, alles nur eine Frage von Glück oder Pech? Anscheinend ja; so muss es nicht sein, aber so ist es momentan; und so wird es wahrscheinlich noch sehr lange bleiben. Es ist alles so willkürlich.

Da habe ich mich gefragt: Wie steht Gott zu all dem? Wie steht Gott zu uns Menschen? Was hat er mit uns vor? Es ist offensichtlich, dass sich Gott nicht in unser politisches Tagesgeschäft einmischt. Wie wir unser Zusammenleben organisieren, wie wir mit der Erde umgehen, das hat er völlig uns anvertraut. Politik ist Menschensache. Gottes Sache muss also etwas anderes sein. Etwas, das nicht der Willkür und dem Glück oder Pech überlassen werden darf. Etwas, das jedem Menschen zusteht, egal wo und unter welchen Umständen auch immer er lebt. Gottes Sache ist  Liebe, bedingungslose Annahme, unantastbare Würde.

Das ist Gottes Sache. Und alle, die an Gott glauben, deren Sache ist es auch. Das Wort ist Fleisch geworden (Joh 1, 14) und es will auch in uns Fleisch werden. Der Geist Gottes will auch durch uns wirken und Heilendes hervorbringen. Was wir dafür beherzigen müssen, ist das Gebot Jesu: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe (Joh 13, 34).

Das wird uns mal besser mal schlechter gelingen - wahrscheinlich eher schlechter… aber wenn wir es nur versuchen, so gut es geht, jeden Tag neu, in jeder Begegnung neu, dann sieht die Welt schon ganz anders aus, obwohl sie äußerlich immer noch die gleiche ist. Wir dürfen auf keinen Fall dieses Gebot vergessen: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.

Unsere materiellen sowie zeitlichen Ressourcen sind stark begrenzt. Wie sieht es aber aus mit unserer Liebe? Diese ist auch begrenzt, aber wir besitzen davon immer noch mehr als alles Materielle; und ich bin mir ziemlich sicher: wir haben längst noch nicht alles ausgeschöpft.

 Pfr. Tuan Anh Le, Heidenheim

ALSO…

„.., wenn die Krise nicht nur eine biologische ist, sondern eigentlich eine gesamtheitliche Krise, also wenn wir nicht nur körperlich gefordert sind, sondern auch seelisch, auch geistig gefordert sind, dann müssen wir dieser Krise auch auf allen."*

Was ist geblieben,  nachdem so viel Normalität weggebrochen war, was war bedeutend in der Krise, was bleibt bedeutend für mich? Wenn existenzielle Ängste auch die Normalen treffen und Todesangst die Gesunden. Wenn wir auf einmal unfreiwillig alleine sind – oder zusammengepfercht. Was haben wir uns da alles überlegt – was wir anders machen „nachher“ – und was ist von diesen Gedanken geblieben? Hoffentlich nicht nur die Angst, nicht überallhin in den Urlaub zu können.

Die Corona Krise sollte zum Anlass genommen werden, die Frage der Systemrelevanz neu zu stellen, sagte der Soziologe Hartmut Rosa im Deutschlandfunk. Relevant sei nicht das Aufrechterhalten der Finanzmärkte, sondern ein gelingendes Leben. Wieviel Solidarität bekommen die zu spüren, deren Existenz auf der Kippe steht oder  bereits gekippt ist. Die, die nicht damit zurecht gekommen sind, alleine zu sein oder zusammengepfercht, die, die ihre Liebsten alleine sterben lassen mussten. Werden die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte menschlicher, die Leistung von Verkäufer*Innen besser bezahlt, Wohnungslose würdiger unter-gebracht? Was haben wir gelernt, was begriffen, in dieser „Krise“ die andauern wird und neben der die Klimakatastrophe, die Kriege, die Geldgier und der Hunger in der Welt nicht zum Stillstand kommen.

Das alles lässt sich nicht mit einem Impfstoff gegen Covid-19 aus der Welt schaffen.

„…deshalb ist mein Auftrag, mich für die Schöpfung einzusetzen für Gerechtigkeit und global zu denken. Es ist meine Aufgabe gegen Ängsteschürer und Engdenkerinnen das Wort zu erheben, meine Bürgerrechte wahrzunehmen, Gerechtigkeit zu fordern und zu leben .Das darf ich um Gottes willen nicht versäumen.“**

Susann Minette

Sozialpädagogin in der Jugendhilfe, Caritas Ost-Württemberg 

*Olivia Mitscherlich-Schönherr

**Verfasser unbekannt

Die Kraft des Unverfügbaren

Die Ferien sind vorbei. Die Schule beginnt wieder. Statt Strandtaschen werden nun Schulrucksäcke gepackt. Nicht mehr das Wetter bestimmt den Tagesablauf; jetzt strukturieren Stundenpläne, Freizeitaktivitäten und die nächsten Etappenziele unseren Alltag. In den vergangenen Monaten haben wir erfahren, wie schnell es anders kommen kann. Wir ahnen, dass wir nicht alle geplanten Vorhaben umsetzen werden. Wir rechnen mit der „Unverfügbarkeit“. - Es lohnt sich, über diesen Begriff nachzudenken.

Der Soziologe Hartmut Rosa tut dies intensiv. Er ist Professor für „Allgemeine und Theoretische Soziologie“ an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Bekannt geworden ist Rosa mit seiner „Resonanztheorie“. In seinem Buch „Unverfügbarkeit“ beschreibt er, wie wir ständig versuchen, unsere Welt „in unsere Reichweite zu bringen“ und sie nutzbar zu machen. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Für viele gesellschaftliche Bereiche erweist sich die „Verfügbarmachung als institutionelle Notwendigkeit“. Technik, Wirtschaft und fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnis sollen die Welt planbar und beherrschbar machen. Durch Recht und politische Steuerung streben wir Kontrolle im Alltag an. Anhand verschiedener Lebenssituationen zeigt Rosa, dass wir auch im menschlichen Lebenslauf Unverfügbares verfügbar machen wollen: „Die unaufhebbare Spannung zwischen dem Versuch und dem Wunsch, die Dinge und Ereignisse verfügbar zu machen, sie berechenbar und beherrschbar werden zu lassen, und die Ahnung oder Sehnsucht, sie als „das Leben“ einfach geschehen zu lassen, auf sie zu hören und dann kreativ und spontan auf sie zu antworten, zeigt sich tatsächlich auf allen Stufen und nahezu allen Prozessen unseres Lebens – von der Geburt bis zum Tod.“ (Unverfügbarkeit, Seite 71) Rosa setzt auf die Akzeptanz des Unverfügbaren, dessen Kraft die Welt „lebendig“ mache.

Für das Lesen sollte nicht nur in den Ferien Zeit bleiben. Daher die Buchempfehlung: Hartmut Rosa. Unverfügbarkeit, Wien-Salzburg 2018.

Carmen Hepp, Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung Kreis Heidenheim

 

Das Mutterherz

Als Ende Mai eine Neuverfilmung der Geschichte von Kaiserin Sissi im Fernsehen ausgestrahlt wurde, war ich besonders beeindruckt, wie sehr die Kaiserin für ihre Kinder, besonders ihren Sohn gekämpft hat. Sie hat sich über jede Konvention und höfische Tradition bis hin zur Selbstaufgabe hinweggesetzt, um ihrem Sohn, der mit 6 Jahren schon zum Militär sollte, zu Hilfe zu kommen. Das war und ist sehr beeindruckend!

Wenn wir am heutigen Samstag das Fest der „Aufnahme Marias in den Himmel“ feiern, dann können wir davon ausgehen, dass auch Maria, die Mutter Jesu Christi, nicht anders gehandelt hat und sich für ihren Sohn eingesetzt hat. Sie hat alles mit ihm erlebt – sogar seinen Tod, den er unschuldig auf sich genommen hat. Welch Schmerz für eine Mutter: den eigenen, noch dazu den einzigen Sohn unschuldig von den religiösen Führern an die Besatzer ausgeliefert am Kreuz mit dem Tode ringen zu sehen.

Und dann ist er gestorben – und auferstanden! Alles hat Maria miterlebt, auch das weitere Geschehen mit den Aposteln und Jüngern, deren Mitte sie bis zum Pfingstfest war. Sie, die immer an ihrem Sohn Jesus festgehalten hat, die immer zu ihm gestanden ist – auch wenn sie ihn nicht verstanden hat – darf nun wieder mit ihm zusammen sein.

Damit möchte GOTT uns allen einen Vorgeschmack auf das geben, was auch auf uns wartet: auch wir dürfen mit Maria und Jesus und unzählbar vielen anderen zusammen die Ewigkeit verbringen! Lassen wir uns also schon hier zu Lebzeiten dazu inspirieren, zu Jesus JA zu sagen, ihm nachzufolgen und dadurch Zeugnis von seiner Herrlichkeit zu geben. Dass uns Maria immer wieder hilft und uns daran erinnert, das zu tun, was er, Jesus, uns sagt, das geht ja aus dem Evangelium hervor (vgl. Joh 2,1-11). Dass sie aber auch bei Jesus für uns eintritt, wie sie für das Hochzeitspaar und deren Not in Kana eingetreten ist, davon ist ebenfalls auszugehen!

So wünsche ich Ihnen Mut, Kraft und Vertrauen in der Nachfolge des Erlösers Jesus Christus, an der Hand seiner Mutter Maria, die auch uns immer wieder daran erinnert: „Was ER euch sagt, das tut!“

Ihr und euer Diakon Andreas Häußler

„Regeln werden nur eingehalten, wenn klar ist, warum sie wichtig sind.“

...stand vor einigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über einem Artikel. Zugegeben, inhaltlich ging es um Raserei im Autoverkehr, aber der Satz scheint mir doch grundsätzlich zu stimmen.

Entweder der Inhalt einer Regel ist einsichtig oder er muss mit Autorität und Druck durchgesetzt werden. Als Eltern haben viele von uns zahlreiche und manchmal durchaus schwierige Erfahrungen damit was die Erziehung unserer Kinder angeht. Autoritärer Druck – damit haben wir Menschen insgesamt eine lange Erfahrung. Die Geschichte aller Kulturen strotzt davon. Macht, die durch Ausgrenzung und Gewalt zur Herrschaft wird über andere.

Gemeinwohl, Gleichheit, Konsens, Auseinandersetzung und Diskussion muss dagegen erlernt, erkämpft und in oft mühevollem Ringen immer wieder neu verwirklicht werden. Das bekommt man nicht so einfach geschenkt. Viel leichter ist die Herrschaft durch Autorität, der man folgt, folgen muss.

Die Botschaft Jesu, mit ihren Wurzeln im jüdischen Glauben an den befreienden Gott, der sich im Exodus als solcher erwiesen hat, geht weit. Sie ruft uns in eine Freiheit, die wahrhaft beängstigend sein kann. Die Lebensschule Jesu führt uns heraus aus dem Zwang, etwas leisten zu müssen, um von Gott und vor sich selbst bestehen und angenommen zu sein. Wir müssen keine Gesetze befolgen, keine Rituale erfüllen, keine Lebensformen einhalten, Kleider- und Essensvorschriften einhalten. Wir sind von Gott bedingungslos geliebt...und sind aufgerufen, dem einzigen Gebot zu folgen, aus dem alles andere erwächst: Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst! Das ist die Grundlage.

Das dies nun nicht in allen Ecken dieser Welt – auch in unserer freiheitlichen Gesellschaft -angekommen ist, ist offensichtlich. Wir leben in einem reichen Land, in einem freien Land. Eines der wenigen in dieser Welt. Das mag uns auch Verpflichtung sein. An vielen anderen Orten steht die Kirche inmitten totalitärer, korrupter, armer Staaten – und deren Gesetze. An manchen Orten spielt sie mit. An vielen Orten gehört die Kirche aber auch zur Avantgarde, steht für Fortschritt und Befreiung aus Unmündigkeit. Ein Beispiel:

Vielerorts ist es üblich, ein Mädchen zwischen 9 und 12 Jahren zu verheiraten, damit meine ich eine vollzogene Ehe durch den oft wesentlich älteren Mann. Erwiesenermaßen verkürzt jede Schwangerschaft vor Ende der Pubertät das Leben einer Frau deutlich – abgesehen von der Entwürdigung, der Angst und den Schmerzen. Die Kirche hat im CIC verankert, dass das Mindestheiratsalter 14 ist. Für viele Länder also ein sehr fortschrittlicher Gedanke, auch wenn bei uns das Alter der Eheschließung höher liegt. Orientiert sich unsere Kirche nun an den Zuständen der Welt? Gott sei Dank nicht.

Auch die Eheformel mit ihrer direkten Frage an den Einzelnen: Willst Du...., die sich direkt gegen Stammes- und Volksbräuche richtet, die den einzelnen Willen unter den des Clans zu stellen, ist für viele Ecken dieser Welt revolutionär. Gibt die Kirche hier nach? Nein, Gott sei Dank nicht.

Ich denke, da pulsiert der Geist Jesu: Wo kann unsere Kirche voranschreiten in der Weise, dass sie sich fernhält von autokratischen feudalen Autoritätsansprüchen und eine geistlich spirituelle Autorität ausbildet, die Glaubenswahrheiten, aus dem Geist Jesu heraus erfahren, nicht durchsetzt, sondern anbietet. Augustinus hat mit seinem Satz „Liebe, und tu was Du willst!“ etwas Einfaches ins Wort gebracht: Autorität entscheidet sich nicht am Ausschluss anderer, an Machtkulmination, sondern in der der Haltung der Liebe und Zuwendung, der Freundschaft.

In Deutschland, diesem reichen und freien Land, versucht die Kirche eine Antwort zu geben auf die Frage:

Welche Form kann die Kirche in einer offenen und toleranten, an der Menschwürde orientierten Gesellschaft – mit den dazugehörigen Schwierigkeiten – annehmen. Damit ist sie Experiment, Avantgarde für die Weltkirche. Das ist gut so. Wir gehen voran im Dienst der Weltkirche nicht gegen sie. Experimente dienen dazu, dass die ganze Gemeinschaft lernt. Wie soll die Kirche mit Demokratie und Freiheit umgehen lernen, wenn es keine Felder des Experimentes gibt? Sie wird zu einem verkrusteten lebensfernen Konstrukt, das die Geschichte als gescheitert hinter sich lassen wird. So, wie es scheint, möchte die breite (nicht die lauteste) Mehrheit der deutschsprachigen Katholiken Avantgarde sein, ein Experiment sein, mit dieser uns mühsam errungenen Freiheit in diesem Land leben und gleichzeitig verbunden sein in kirchentreuer Glaubensweise. Ich denke, da gibt es nicht mehr viel zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

Neben all den beschämenden Dingen, die ans Licht kamen, wie finanzielle Eskapaden, sexueller Missbrauch und Vertuschung, männliche Hybris und die Frauenfrage, ist dies etwas, das eine Katholikin, einen Katholiken stolz machen kann. Gott sei Dank.

(gk)

Eine Ode an die Freude

Freude ist die Nahrung für die Seele. So, wie Vitamine für den Menschen lebensnotwendig sind, braucht er auch immer wieder Freude. Auch in der Bibel wird gelacht! Zum Beispiel schreibt Paulus: „Seid fröhlich in der Hoffnung.“ (Röm 12,12) Glauben steht nicht im Gegensatz zur Lebensfreude, im Gegenteil: „Lachen ist Gottes Dienst.“(Karl Emil Franzos)

Es ist manchmal auch ein befreiendes Lachen. Also: Freut euch und jubelt! Denn wer lachen kann, spürt die Lebenskraft und drückt die Freude auch mit seiner Mimik aus. Das geht sogar auch mit dem Mund-Nasen-Schutz: Die Augen blitzen freundlicher, wenn man unter der Maske lächelt. Noch dazu ist es sogar gesund, mehrmals täglich zu lachen. Selbst wenn mal kein so guter Tag sein sollte, ist es eine wunderbare Übung, mit einem Lächeln die Mundwinkel nach oben ziehen: Die Gesichtsmimik sendet damit dem Gehirn das Signal: „Glücklich“. Lachen hebt die Laune, die von uns selbst und die von unserem Gegenüber, denn: „Lachen reinigt die Seele, und wenn man lacht, bekommt man ein Lachen zurück.“ (Afrikanisches Sprichwort)

In der Ev.-Luth. Landeskirche in Hannover gibt es im Juli und August eine besondere Aktion in den digitalen Medien. In Anlehnung an das Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit“ wird unter dem Stichwort #GehausmeinHerz dazu aufgerufen, dass die Menschen mit anderen teilen, worin sie Freude finden, was ihre Herzen fröhlich hüpfen lässt: Sei es ein Foto oder Text, eine Entdeckung in der Natur, eine herzliche Begegnung oder ein bewegendes Musikstück.

Welche Bilder tauchen vor Ihrem Auge auf, wenn Sie überlegen, wo Sie von Herzen gelacht haben? Wann mussten Sie schmunzeln? Wo sind Sie glücklich und dankbar? Achten Sie doch mal in der nächsten Zeit darauf, was Ihnen Freude macht. Und schenken Sie immer wieder ein Lächeln, anderen und auch sich selbst. #GehausmeinHerz – und suche Freud!

Lydia Hageloch, Pastoralreferentin Heidenheim

Sekundenurlaub

Die meisten Menschen kennen wohl den Sekundenschlaf als das ungewollte Einschlafen für wenige Sekunden. Das ist eine unangenehme Sache, etwa bei der Fahrt auf der Autobahn. Sehr viel angenehmer ist dagegen der Sekundenurlaub. Kennen Sie nicht? – Eigentlich schade.

So einen Sekundenurlaub erlebe ich immer dann, wenn ich den Computer hochfahre, also eigentlich täglich und an manchen Tagen sogar mehrmals. Das Desktopbild zeigt die Aufnahme eines Berges, die einmal im Urlaub entstanden ist. – Okay, manchmal betrachte ich das Foto etwas länger, bevor ich mit der Arbeit loslege. Das ist richtig angenehm, denn im Gedanken bin ich an dem Ort, an dem es gemacht wurde… - eben eine Art kleiner Urlaub.

Das Bild stammt aus Südfankreich und zeigt den Mont Ventoux. Dieser weithin sichtbare Berg mit 1909 Meter Höhe gilt als „Gigant der Provence“. Seine Gipfelregion ist kahl mit feinem Kalksteingeröll bedeckt und schimmert auch ohne Schnee immer hell. Schon bei den Kelten galt er als mystischer Ort. Bekannt ist er heute besonders durch die Tour de France, denn er gehört zu den „heiligen Bergen“ der Rundfahrt und ist bei den Fahrern gefürchtet.

Deswegen aber sind diese Erhebung und das Foto für mich aber noch nicht besonders. Mehrmals war ich mich schon im Urlaub in der Gegend rund um den Mont Ventoux. Deshalb verbinde ich damit Sonne, angenehmes Klima, „die Seele baumeln lassen“, Urlaubserlebnisse mit der Familie, gutes Essen… So hat dieser Anblick einen Mehrwert und lässt mein Herz aufgehen. Für einen kurzen oder auch längeren Augenblick ist das ein guter Einstieg für die Arbeit. – Eben ein Sekundenurlaub.

Besonders dieses Jahr, in dem ein normaler Urlaub nicht so ohne weiteres möglich ist, tut das richtig gut. Es erscheint mir wie die grünen Auen, der Ruheplatz am Wasser oder der gedeckte Tisch, von denen im Psalm 23 die Rede ist. Lassen wir uns von Gott dahin führen und verweilen, damit unsere Seele Erholung finden kann.

Bleiben Sie behütet, wo immer Sie der Weg diesen Sommer auch hinführen mag!

Ilse Ortlieb, Dekanats- und Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit HDH-Nord

Existenzrelevant

In den Diskussionen über die richtigen Entscheidungen, Gewichtungen und Wertungen während der Corona-Pandemie, mischt sich immer wieder ein kleines Wort: jemand oder etwas sei systemrelevant. Übersetzt kann das heißen: ohne Dich oder ohne das geht es nicht, läuft das System nicht. Interessant war, dass die Kirche bei dieser Diskussion fast nicht vorkam. Also ist die Kirche nicht systemrelevant?! Bevor bei den Gläubigen jetzt ein Sturm der Entrüstung losgeht sollte man zurückfragen, um welches System handelt es sich denn? Das Gesundheitssystem, politische System, Wirtschaftssystem, oder gar das Gesellschaftssystem? Christen gibt es in all diesen Systemen und Kirche auch. Aber die Kirche ist nicht systemrelevant sondern EXISTENZRELEVANT! Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Ein neues Denken ist erforderlich, eine neue Mentalität, ein Handeln und Leben, das sich lossagt von den Plausibilitäten und sogenannten Selbstverständlichkeiten. Lebt der Mensch nur für sich selbst, lebt, als ob es Gott nicht gäbe, kriegt er den Drehwurm des Egoismus. Sich der Gewalt des Um-sich-selbst-Kreisens zu entziehen, wird möglich, weil Gott in seinem Erbarmen ein Gegengewicht eingebracht hat in Jesus Christus. Die „Metamorphose“ des Denkens, von der Paulus spricht, hat dieses Erbarmen Gottes zur Voraussetzung. Die Umstellung ist auf jeden Fall mehr als ein Paradigmenwechsel, sie ist eine Neuorientierung der ganzen Existenz.

Ein Gebäude kann man erneuern, indem man ihm einen neuen Anstrich gibt. Das Denken kann man nicht erneuern, indem man es neu anstreicht, sich neu ausdrückt, es gefälliger formuliert. Es muss nicht der Welt besser gefallen, es muss Gott besser gefallen! Beziehen wir dies auf den dringend notwendigen Erneuerungsprozess in der Kirche, sehen wir auf Anhieb, dass es mit Umorganisation nicht getan ist. Es geht vielmehr um die Übernahme der Lebensweise von Jesus Christus. Die Zeichen der Zeit sollen nicht im Licht der Erwartungen der Welt, sondern nach dem Vorbild von Jesus Christus gelesen werden. Er war und ist mit seiner ganzen Existenz für die Menschen da. Er hat sich verschenkt, hat geheilt, versöhnt, Brücken gebaut, Grenzen überschritten und geliebt. Wer das heute tut, wird nicht nur Applaus ernten, sondern oftmals Wiederstand, ja auch Hass. Die Kirche braucht nicht zu schweigen, wenn sie angespuckt wird. „Warum schlägst du mich?“, hat Jesus vor dem Hohen Rat zu dem Knecht gesagt, der ihn ohrfeigte (Joh 18,23). Den Mund muss man sich nicht verbieten lassen.

Aber Machtlosigkeit müssen wir aushalten lernen und Gewaltlosigkeit üben. Lernen müssen wir, uns nicht verbiegen zu lassen, wenn wir in der Minderheit sind. Ertragen lernen, was wir nicht ändern können. Unsere Leidensfähigkeit wird strapaziert werden. Wir werden vieles nur noch privat leben können, weil es gesellschaftlich nicht mehr durchsetzbar ist. Die Unansehnlichkeit der Kirche kann so zunehmen, dass viele versucht sein könnten, uns den Verrat versilbern zu lassen wie Judas. In der Nachfolge Christi hat sich immer wieder Erstaunliches getan. So hat die Umstellung auf die Gesinnung Jesu bewirkt, dass unter der Decke des gesellschaftlichen Systems eine Gemeinschaft ganz anderer Art entstanden ist. Eine, in der der Mensch nicht nach seiner Systemrelevanz bewertet wird, sondern eine Würde hat, eine Existenz, die relevant ist.

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen

„Normalität“ im Kirchenjahr

Liturgisch gesehen haben wir alle wichtigen Feste hinter uns. Der „normale“ sonntägliche Gottesdienst begleitet uns ab sofort wieder. Aber was ist schon „normal“ in dieser Zeit?

Da fallen jeder und jedem genügend Beispiele ein, was noch nicht „normal“ läuft. Wir wünschen uns doch das „Alte“ zurück – routinierte Abläufe, Planungssicherheit und vieles mehr.

In all dem Durcheinander und der Ungewissheit steckt auch eine Chance – ich kann „Normalität“ für mich ein Stückweit neu definieren.

Ich darf meine Beziehung zu Gott neu überdenken. Gerade in dieser „normalen“ kirchlichen Zeit. Neue Formen von Gottesbeziehung habe ich schon in den Festzeiten erlebt. Traditionen konnten nicht so fortgeführt werden, wie ich sie gewohnt war. Aber sie haben mich zum nachdenken veranlasst. Immer neu entdecke ich eine weitere Seite an mir, wie ich außerhalb der „Normalität“ mich und Gott kennenlernen darf. Und darin erlebe ich auch eine Chance für mich und für Kirche. Gerade in dieser nicht geprägten Zeit (außerhalb von Advent/Weihnachten und Fastenzeit/Ostern) kann ich „Normalität“ unterbrechen und andere Wege zu Gott finden. Ich bin aber auch dankbar, dass Gottesdienst wieder in Gemeinschaft stattfinden kann, wenn auch in eingeschränkter Form. Denn Glauben leben kann ich nicht alleine.

Ich denke, dass nach dieser Pandemie die „Normalität“ anders aussieht wie vor der Pandemie. Auch für uns als Kirche. Doch eine Gewissheit bleibt: Gottes Zusage an uns, die er schon Mose offenbarte: Ich-bin-da.

Brigitte Ferdinand, Gemeindereferentin, Nattheim

Fronleichnam

Wenige wissen, dass das Fest „Fronleichnam“ auf die Vision einer Frau zurückgeht: Juliana von Lüttich, eine Mystikerin und Ordensfrau, hatte 1209 eine Vision davon, dass gerade die Eucharistie als gewandelter Leib Christi in besonderer Weise geehrt werden sollte. Damit ist Fronleichnam stark mit dem Gründonnerstag verbunden.

Aber wir stellen uns ja immer wieder die Frage: was sagt uns das heute, wie können wir das Anliegen dieses Festes heute bezeugen. Was sprechen wir, wenn wir mit der Fronleichnamsprozession „nach draußen“ gehen in die Welt hinein, was wollen wir mitteilen?

Ich denke, dies ist mit einem Satz gesagt: Christus gibt uns das Wesentliche für unser Leben, für unsere Welt und Gesellschaft, das wirkliche „Brot des Lebens“. Mit ihm haben wir Richtschnur und Geist, der unser Leben und auch die Welt sättigt, d.h. befriedet. „Brot“ also im wesentlichen Sinne.

Und gerade in der Corona-Zeit, die uns auf uns selbst (wie jede Krise) zurückwirft mit der Frage: Wie lebst Du – wie willst Du leben – was brauchst Du wirklich, was nicht – ist dieses Fest so stimmig.

Die christliche Antwort darauf ist einfach: Wir brauchen Gott, im Antlitz dieses Jesus von Nazareth, wir brauchen ein Leben, das in Gebet und Aktion auf ihn ausgerichtet ist. Wir sind der Überzeugung, dass nur dadurch innerer und äußerer Friede möglich ist. Und wir gehen selbst eine Verpflichtung ein, dies auch mit unserem persönlichen Leben zu bezeugen - mal mehr, mal weniger, aber immer wieder.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Festtag und ein schönes Wochenende.

Gabriele Kraatz